Büro für Postidentisches Leben

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am 16.11.2016

Aktueller denn je ist das Thema der Identität und welchen Stellenwert jene in unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis einnehmen darf. Ein Theaterstück in der Oper Neukölln hat sich damit künstlerisch auseinander gesetzt.

 

Identität, die: (Psychologie) als Selbst erlebte innere Einheit einer Person

„Was bedeutet Identität für mich?“ Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit des Öfteren gestellt. Viele verknüpfen ihre Identität mit kulturellen und nationalen Eigenheiten ihres Heimatlandes. Macht das Sinn und vor allem will ich das für mich selber? Ich fühle mich nicht als "der Deutsche“, anders aber auch nicht als "der Marokkaner". Ja, ich esse gerne eine Currywurst und finde es erstrebenswert, ein geordnetes Privat- und Arbeitsleben zu haben. Andersrum liebe ich arabische Küche und komme, wenn es um Selbststrukturierung geht, eher nach meinen arabischen Wurzeln. Identifiziere ich mich jetzt mit Deutschland oder Marokko, mit beiden, oder vielleicht sogar mit keinem der beiden?

Diese Fragen bringen mich zu einer grundsätzlichen Kritik an der gesellschaftlichen Identitätsvorstellung meinerseits: ethnische Herkunft ≠ Identität. Wie identifiziere ich mich dann?

Szene aus "Büro für Postidentisches Leben"

Zum Theaterstück:

Bereits im März dieses Jahres war ich mit meinem Philosophiekurs bei einem Theaterstück in Hamburg. Es behandelte das Thema der Diskursanalyse und „Büro für postidentisches Leben“ hat mich von der Herangehensweise ziemlich an jenes erinnert. Parallelen sind die nicht vorhandene Greifbarkeit des Themas und dementsprechend auch die Behandlung. Man saß öfter da und musste versuchen, zu entziffern, was die darstellenden Schauspieler nun ausdrücken wollten.

In dem Theaterstück „Büro für postidentisches Leben“ geht es um den Alltag in diesem. Die Story beginnt damit, dass eine Frau neu im Büro anfängt. Ihr wird alles gezeigt und erklärt. Was direkt auffällt ist die Mehrsprachigkeit der Schauspieler. Englisch, Spanisch, Deutsch und eine kurze Stelle Solresol, eine Plansprache, die ab 1817 von François Sudre entwickelt wurde. Alles was kein Deutsch war, wurde mithilfe von Beamern übersetzt.

Doch was war die eigentliche Story des Theaterstücks? So genau kann ich das eigentlich gar nicht definieren. Wie bereits vermutet wurde der Alltag im Büro abgebildet. Probleme oder Unstimmigkeiten, die auftauchten und irgendwie in Verbindung mit dem Thema Identität gesetzt werden konnten. Dieses Theaterstück gehört für mich zu der Sorte, die ich sehr interessant, aber unglaublich schwer zu interpretieren finde. Ich habe mich damit schwer getan, einen logischen Aufbau zu finden, der mir unglaublich hilft, so etwas zu analysieren, zu interpretieren und zu bewerten. Die einzelnen Szenen an für sich waren durchaus logisch und verständlich, doch das große Ganze nun zu betrachten fällt mir schwer. Vor allem, da das Thema der Identität auch nur sehr selten direkt angesprochen wurde. Im Folgenden beschreibe ich mal die Zwei prägnantesten Szenen, die mir im Kopf geblieben sind:

Szene aus "Büro für Postidentisches Leben"

Eine Schauspielerin sitzt auf einem Sofa im Büro. Der Chef kommt zu ihr. Sie fängt an, dem Chef gegenüber Vorschläge zu machen, doch einen Pool in das Büro einbauen zu lassen für Pausen und Partys. Der Chef kann jedoch kein Deutsch, sie kann wiederum jedoch kein Spanisch und interpretiert aus seinen Worten, dass er damit einverstanden sei. Das Gespräch entwickelt sich auf dieser Basis weiter. Vom Pool geht es weiter zu einer neuen Kaffeemaschine, zu der Auswahl an Teesorten und so weiter.

Die zweite Szene; eine Frau sitzt auf einem anderen Sofa, hinter ihr eine Leinwand, auf die um die 25 Begriffe projiziert werden, die den Präfix post- haben. Sie hält einen Monolog darüber, dass wir in unserer heutigen Zeit ein Problem mit Definitionen und dem Blick in die Zukunft haben. Alles sei post-, postfaktisch, postfeministisch, postrassistisch usw. Ihre Kritik setzt da an, dass sie meint, wir sollten aufhören, so viel Wert auf die Fehler in der Vergangenheit zu legen und uns mehr um die nachhaltige Fehler- und Problembeseitigung für die Zukunft kümmern.

Alles in allem waren es sehr interessante Ansätze, die in dem Theaterstück behandelt wurden, es hat sehr zum Denken angeregt und auch danach noch zu wilden Diskussionen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis geführt.

Das Theaterstück lief in der Neuköllner Oper.