Wie soll man Tanz in Worte fassen? Es geht nicht. Zumindest nicht ohne, dass dabei etwas verloren geht. Doch das Stück HILLBROWFICATION war nicht nur Tanz. Beim TanzTHEATER sieht das alles etwas anders aus.
Zu Gast im Gorki-Theater
Das Gorki, wenn man denn den richtigen Eingang findet, ist ein beeindruckendes Theater. Es erzeugt ein Gefühl von Nostalgie und Melancholie. Perfekt für Aufführungen der Klassiker! Das Stück HILLBROWFICATION war jedoch das komplette Gegenteil:. Bunt, laut, exotisch, anders.
Klitschnass vom Regen sitze ich im vollen Saal und warte. Die Leute tuscheln aufgeregt und sichtlich voller Vorfreude. Das Licht geht aus, die Scheinwerfer an. Das Stück beginnt! Musik ist zu hören und mit roboterartigen, abgehackten Bewegungen kommen die ersten Darsteller*innen nach einander auf die Bühne. Das Ganze wirkt etwas bizarr. Ich bin sowohl irritiert wie auch beeindruckt. So zu tanzen ist bestimmt schwierig!
Tanzen gegen die Aliens
Jemand mit Mikrophon kommt auf die Bühne und erzählt uns die Handlung und den Grund für diese Art der Fortbewegung. Aliens haben sich auf dem Planeten immer weiter unbemerkt ausgebreitet und übernehmen ihn nun. Die einzige Möglichkeit zu überleben, ist zu tanzen und sich so an die Außerirdischen anzupassen. Zum Beispiel durch traditionelle Tänze. Worauf das Mikro verschwindet und wie auf Knopfdruck alle anfangen zu tanzen und zu rufen, begleitet durch selbsterzeugte Bongo- und Xylophon-Musik. Die verworrene Choreo lässt die bunten Farben der Kostüme verschwimmen. Die Musik, durch Lautsprecher verstärkt, dröhnt in meinen Ohren. Der Tanz endet und die Story wird weitererzählt.
Tanz wird zu Politik
Bestimmte Tanzarten sind zu politischen Richtungen geworden. So ist Ballett nun zum Beispiel das Zeichen der Rechten.Doch hier wird nicht nur getanzt! Es folgen zwei traditionelle Lieder, die live gesungen werden und wunderschön klingen. Ich verstehe sie nur dank der Untertitel. Wenn ich meinem Englisch trauen darf, wird über eine tragische Liebe gesungen.
Ein Darsteller mit einer zu großen Brille tritt auf die Bühne. Er fängt an Halleluja zu singen mit den komischsten und amüsantesten Grimassen, verstärkt durch eine Brille. Ihm ist es zu verdanken, dass meine Sitznachbarin genauso vor sich hin gluckst und kichert wie ich. Von Spaß schlägt das Stück schnell in Ernst um. Es gibt einen Teil in Johannesburg, wo die Tanzgruppe auch herkommt, der nun Zufluchtsort für Menschen vor den Aliens ist: HILLBROW.
Erst lief hier alles gut, aber die Stimmung schlug um. Die Menschen wollen nicht jedes Mal um ihr Leben kämpfen, wenn sie auf die Straße gehen. Das Mikro verschwindet und ein täuschend echt aussehender Kampftanz beginnt. Die Fäuste fliegen und Füße landen in Gesichtern (wichtig: niemand wurde verletzt!).
Die wichtige Botschaft
Mit diesem Tanz wollen sie nicht nur einfach ein Stück spielen. Hiermit soll auf die jetzigen Lebensumstände in Hillbrow aufmerksam gemacht werden, da Armut und Gewalt dort stark verbreitet sind.
Das Stück thematisiert Herkunft und daraus folgender Rassismus. So diskutieren sie darüber, welchen Menschen aus welcher Provinz man überhaupt noch vertrauen kann. Doch die Diskussion löst sich auf, nachdem sich herausstellt, dass jeder der Beteiligten nicht zu hundert Prozent aus Hillbrow kommt. Das Stück endet mit einem weiteren, sehr faszinierenden Tanz, der als gemeinsamer Gruppentanz ein gutes Ende darstellt.
Das Publikum bekommt sich nicht mehr ein. Die Leute stehen und Pfeifen und Klatschen eine gefühlte halbe Stunde lang. HILLBROWFICATION ein Tanztheater, was aufmerksam machen will und zum Nachdenken anregt.