Praktikum in den Werkstätten der Volksbühne Berlin

am 08.12.2017

Was tun nach der Schule? Ich entschied mich für ein Praktikum in den Werkstätten der Volksbühne und erlebte dort eine aufregende und auch sehr lehrreiche Zeit.

 

Als ich im April 2017 die Werkstätten der Volksbühne besuchte, war der Entschluss schnell gefasst. Hier möchte ich hin. Die vielen Gebäude, unterteilt in eine große Tischlerei, den Malsaal, Dekoration, Schlosserei und Plastik, hatten es mir sofort angetan. Der Geruch nach Holz und Leim und die Atmosphäre in den großen und kleinen Werkräumen schienen zu sagen: hier ist man kreativ. Aber auch: Hier hat man Freude an der Arbeit. Überall verteilt gibt es kleinere und größere Kunstwerke, Zeugnisse der dortigen Schaffenskraft. Kein Wunder, die Volksbühne Berlin blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie entstand 1890 während der Gründungsversammlung des Vereins „Freie Volksbühne“, teilte und vereinte sich wieder und schuf sich mit dem am Rosa-Luxemburg-Platz gelegenen Theater einen geschichtsträchtigen Spielort. Auch die ungefähr vier Kilometer entfernt gelegenen Werkstätten, in denen ich bald mein Praktikum absolvieren sollte, gehören zu dem Theater - und zu den Werkstätten gehört Frank Mittmann, ihr Leiter. Er hat diese Position schon seit 1987 inne und ist fest mit der Volksbühne verbunden. Ab September wird der Tischler mein Chef sein.

Tischler*in – Ein Traumberuf

Schnell war der Sommer verstrichen und mein Praktikum in der Tischlerei konnte endlich beginnen. Den Beruf des Tischlers fand ich schon längere Zeit sehr spannend, denn mir gefiel die Idee, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Auch später im Gespräch mit den Tischler*innen ist dies bei vielen ein Grund für die Wahl ihres Berufes gewesen. „Wir verwirklichen Träume und stellen Dinge her, die so nicht käuflich sind“, wirft der Tischler Bernhard ein. Frank Mittmann sagt dazu: „Die Arbeit hier ist ein bisschen wie in einer Manufaktur, denn wir stellen Einzelstücke her.“ Ein persönliches Highlight war hier für die meisten der Bau eines riesigen Panzers und eines Wals aus Holz. Für Sophie waren noch andere Dinge entscheidend, als sie sich dazu entschloss Tischlerin zu werden: „Man kann mit dieser Ausbildung überall auf der Welt arbeiten. Das macht einen selbstständig.“ Der Werkstattleiter der Tischlerei, Colin, betonte besonders die Abwechslung, die man in diesem Beruf hat. Genau das hat mir persönlich gefehlt. Nach Jahren voller Theorie in der Schule sehnte ich mich nach etwas Praxis und ganz neuen Aufgaben in einem Bereich, in dem ich bis dahin wenig Erfahrung besaß.

Erst die Belehrung, dann die Arbeit

Da die Arbeit mit Maschinen nicht ganz ungefährlich ist, erhielt ich an meinem ersten Arbeitstag eine Arbeitsschutzbelehrung und wurde in den Gebrauch einiger Werkzeuge eingewiesen. Als ungelernter Praktikant darf man viele Maschinen auch gar nicht benutzen. Wenn ich diese brauchte, konnte ich jedoch immer um Hilfe bitten und jemand hat die Arbeiten an den jeweiligen Geräten übernommen. Vorsicht ist hier definitiv besser als Nachsicht, denn unangenehme und teilweise auch schwere Verletzungen kann man sich schnell zuziehen. Trotzdem freute ich mich jedes Mal darüber, wenn ich in den Gebrauch einer Maschine eingewiesen wurde und etwas Neues ausprobieren durfte. Gleich am ersten Tag lernte ich den richtigen Umgang mit Drucklufttacker, Akkuschrauber, Scheibenschleifmaschine und kurz darauf auch mit der Kappsäge. Zu meinen Aufgaben gehörte es, in einer Arbeitsgruppe beim Bau des Bühnenbildes für das Stück „Women in Trouble“ mitzuhelfen. Mein Vorarbeiter und ich verkleideten unterschiedliche, teilweise fünf Meter hohe Holzgerüste mit Sperrholzplatten und verwandelten sie so in Wände, die dann im Malsaal weiter bearbeitet werden konnten. Ab und zu dufte ich auch eigene Ideen umsetzen und baute ein eigenes Regal, einen Ring aus Holz und Teelichthalter, was mir am meisten Spaß bereitete.

Unruhige Zeiten in der Volksbühne

Besonders war, dass es zur Zeit meines Praktikums eine Besetzung der Volksbühne gab. Dies sorgte auch in den Werkstätten für Unruhe, sogar der neue Intendant Chris Dercon besuchte uns und erklärte die Situation aus seiner Sicht und warum er was wie geregelt hat. An diesem Tag durfte ich dem neuen Intendanten das zweite Mal die Hand schütteln. Mich haben die Begegnungen sehr beeindruckt, hatte ich doch zuvor viel über den umstrittenen Intendantenwechsel gehört und gelesen und stand nun dem gegenüber, um den es dabei ging. Auch in den Werkstätten war dies und noch viel mehr die Besetzung ein großes Thema. Die Volksbühne hatte es stets an sich, ins Kreuzfeuer politischer Debatten zu geraten und stand in diesem Jahr im Fokus von Kritikern des Theaters, aber auch der Gentrifizierung und Kulturlandschaft Berlins.

Was mir jedoch besonders in Erinnerung über die Zeit in den Werkstätten der Volksbühne blieb, ist das tolle Arbeitsklima, welches vorherrschte. Der Umgang miteinander war trotz kleinerer Auseinandersetzungen stets familiär, was kein Wunder ist, wenn man teilweise schon 30 Jahre lang zusammenarbeitet.

Insgesamt hat mich das Praktikum insofern weitergebracht, als dass mir zum ersten Mal in meinem Leben bewusst geworden ist, wie lang eigentlich acht Stunden sind und wie viel Zeit des Tages vergangen ist, wenn man gearbeitet hat. Ich habe mitgenommen, dass man es sich wirklich gut überlegen muss, mit welcher Tätigkeit man einen so großen Teil seines Lebens verbringen möchte. Das Geld allein ist da nicht ausschlaggebend, mir persönlich war es auch wichtig, etwas Neues zu lernen, mit kreativen und interessierten Menschen zusammenzuarbeiten und sich hin und wieder auch selbst verwirklichen zu dürfen. Aber all diese Erfahrungen muss man natürlich selbst machen und verschiedenen Menschen sind unterschiedliche Dinge wichtig! Ich kann deshalb nur jedem dazu raten, sich die Zeit zu nehmen und wirklich über einen gewissen Zeitraum hinweg zu arbeiten oder ein Praktikum in einem Bereich zu absolvieren, der einen interessiert. Meist stellt man sich die Arbeit ganz anders vor und selten entspricht ein Berufsbild den vielen Fantasien im Kopf. Mir persönlich hat es sehr dabei geholfen herauszufinden, welche Art Arbeit mir Freude bereitet und was mir wichtig und was weniger wichtig ist. Der Beruf des Tischlers fasziniert mich dabei nach wie vor, aber ich habe auch erfahren, dass es körperlich sehr anstrengend und auch gefährlich sein kann, in einer Tischlerei zu arbeiten. So sehr ich Holz als Werkstoff liebe, es zu verarbeiten macht einfach einen enormen Krach. Für ausreichenden Gehörschutz war aber zum Glück gesorgt, sodass sich auch die Lautstärke ertragen ließ.

Mein Fazit: Ich brauche wohl immer noch ein bisschen Zeit, um herauszufinden, was ich will, aber das Praktikum in den Werkstätten der Volksbühne hat mich auf meinem Weg ein gutes Stück weitergebracht.