Ungdomssymfonikerne – Klassik aktiv genießen

am 14.09.2016

Was das Young Euro Classic Festival darstellt, zeigten wir euch mit Hilfe des vorangegangenen Video-Beitrages bereits. In dem folgenden Text versuche ich deshalb auf die Eindrücke einzugehen, welche mir zuteil wurden, vor der musikalischen Vorführung, währenddessen und im Anschluss. Natürlich alles aus einem höchst subjektiven und musikanalphabetischen Blickwinkel.

Die Generalprobe

Der Konzertsaal oder zumindest die Sitzplätze sind leer. Geschäftiges Treiben auf der Bühne, abgehakte Musikfetzen, die einige Male wiederholt werden müssen – so die Anweisung des Dirigenten. Er selbst, zwar zum Scherzen aufgelegt, begleitet das Orchester mit Handbewegungen mitten durch die brisanten Stücke, Notenblätter und später auch durch den Abend.

Angesichts der majestätisch geschmückten Räumlichkeiten beschleicht mich ein kirchenähnliches Gefühl und die Feststellung, dass ich, ehrlich gesagt, nichts von dieser Kultur verstehe. Fängt hier die sogenannte „Deutsche Leitkultur“ an? Bei den ganzen auf Antik gemachten griechischen Statuen, den elektrischen Kronleuchtern barocker Zeit nachempfunden und den gut angezogenen Menschen?

Wieder gefangen von der vorrangegangen Ehrfurcht und Demut fange ich an, den krassen Sound zu bemerken. Damit fasse ich nicht mit Jugendslang die klassische Musik an sich zusammen - dazu an späterer Stelle mehr - sondern den Schall. Er umgibt den gesamten Konzertraum, wird von den Wänden immer wieder zurückgeworfen nur um dann, ähnlich einer Pfeilspitze, das Ohr des Zuhörers zu treffen. Jetzt kann ich es kaum erwarten, das „richtige“ Konzert zuhören und die schon geübten Musikabschnitte einzuordnen.

Die eigentliche Aufführung

Ich schließe meine Augen und werde von der Stimme James Bonds dazu aufgefordert, einen schönen Abend mit den anderen Zuschauern zu verbringen. Dietmar Wunder, begrüßt das gemischte Publikum. Eine Choreographie, die anscheinend jeder in diesem Raum beherrscht, wird aufgeführt: Zuerst erscheint der Dirigent, dann geht er wieder, das Orchester kommt raus, einige Male setzen sie sich und stehen wieder auf. Dieses Spiel wird so fortgeführt und erinnert mich dabei an das sogenannte Aufheizen bei musikalischen Aufführen anderer Genres. Applaus vorprogrammiert.

Als die Töne erklingen, die Instrumente sich in einen musikalischen Körper fügen, werden meine Sinne zu Traumlandschaften entführt.

…Und diese Spannung! Der Herzschlag verstummt nur für diesen einen Moment. Ein Kloß im Hals bleibt zurück. Um im nächsten Augenblick entfesselt, gebrochen und wiederhallend den Raum zu füllen.

Der Musiker badet im Applaus.Schwanger nun der Raum, aus jeder Reihe und von jedem Platz ertönt es scheppernd. Davon versteht das Publikum immerhin etwas – Aus – nächster Akt.

Der nächste Akt liefert neue Horizonterweiterung, neue Kanäle, die erstmal freigeschaltet, nicht mehr versiegen – Erinnerung neu geschaffen. Beginn der jungen Ewigkeit. Ich kann meine Augen nicht mehr abwenden. Längst ist es um mich geschehen. Ich kann die Ohren nicht mehr verschließen und kann mich nicht genug sättigen an Jugend, Schönheit und Talent.

Und dann kommt Berlioz…

Mein persönliches Filetstück des Abends lautet „Symphonie fantastique“ op. 14 (1830) von Hector Berlioz. Bei all der Passion infernale fange ich ein Gespräch mit ihm an, ich bedanke mich für seinen Größenwahn, der sich in der Zusammenstellung der Instrumente widerspiegelt und für diesen äußerst schizophrenen Augenblick. Ich bedanke mich ferner bei dem Jugendorchester Norwegens, weil sie mich wirklich ins Reich der Fantasie katapultierten. Und natürlich auch bei der Presse-Agentur, die mir diesen guten Platz in der ersten Reihe spendierte.

Nach dem Konzert

Nun, wie soll ich sagen? Nach dem Konzert reihe ich mich gern zu den Klassikliebhabern ein! Wenn ich so darüber nachdenke, dann bedarf es dieser speziellen Kunstform eben an den prachtvollen Räumlichkeiten und der ganzen Ehrerbietung. Schließlich ist der Saal als Projektionsfläche groß genug, um die Musik zu beherbergen. Um die Träume und Empfindungen zu kollektivieren. Nichts Anderes könnte das Mindestmaß darstellen.

Mein dringender Appell an alle rumhängenden Kulturbanausen da draußen:

Geht ins Theater, in die Oper und den Konzertsaal! Ihr braucht die teuren Markenschuhe nicht, tauscht sie gegen Konzertkarten ein. YouTube oder Soundcloud sind hier keine Lösung. Durch den Filter einer Kamera werdet ihr keine Musik mehr hören, alle wertvollen Töne gehen verloren - wie die Nährstoffe bei zerkochtem Gemüse.

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