In der letzten Zeit schwappen immer mehr LGBTIQ*-Freundliche Sendungen aus den Vereinigten Staaten (oder Großbritannien) nach Deutschland. Vor einem Monat startete auf RTL‘s Online-Streamingdienst TVNOW „Prince Charming“, eine Sendung, bei der zwanzig schwule Männer* in einer Villa in Griechenland leben und um das Herz eines „Prinzen“ kämpfen. Das alles, zusammen mit viel Drama und Tränen, sorgt für eine wirklich sehenswerte, unterhaltsame Mischung, die, zugegeben, etwas an den Bachelor erinnert.
Doch aktuell freue ich mich Mittwochs nicht nur auf jede neue Folge von „Prince Charming“, sondern auch auf Heidi Klum‘s „Queen of Drags“. Etwas mehr als einem halben Monat läuft die Sendung schon. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen. Das Show-Konzept gibt es so ähnlich schon seit einigen Jahren in den USA als „RuPaul’s Drag Race“. Insgesamt elf Staffeln sind bereits bei Netflix abrufbar, die letzte erschien vor drei Monaten.
Alle gegen Heidi
Der wohl größte Unterschied zwischen den zwei Sendungen: Anders als Heidi Klum hat die Frontfrau vom amerikanischen DragRace RuPaul schon lange vor der ersten Sendung im Business gearbeitet. Seit den 1980ern kämpft RuPaul in der queeren NewYorker Szene für mehr Akzeptanz und Gleichberechtigung von LGBTIQ*‘s. Heidi’s Engagement fällt da deutlich kleiner aus: Als die Show der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, konnte sie nicht einmal vor Ort persönlich anwesend sein. Grund genug für Dragking Ryan Stecken und Dragqueen Margot Schlönzke die Petition „Kein Foto für Heidi“ zu starten. Sie kritisieren Heidis fehlende Verbindung zur LGBTIQ*-Szene, die Angst vor Ausschlachtung der Dragkultur durch einen Privatsender und das gefährliche Frauenbild, das Heidi immer wieder in ihrer TV-Sendung „Germanys next Topmodel“ präsentiert. Obwohl über 27.200 Menschen die Petition unterzeichneten, blieb sie ohne Erfolg: ProSieben hält am Showkonzept fest.
Dabei finden die beiden Intinatoren*innen die Idee, mehr aus der LGBTIQ*-Szene in die breite Öffentlichkeit zu bringen, sehr gut. Nur Heidi Klum sehen sie als totale Fehlbesetzung an. Es würde so viele andere tolle Queere Künstler*innen geben, sagten sie neulich in einem WELT-Interview: „Es hätte so viele geeignete bekannte queere Leute gegeben“, meint Schlönzke. Zum Beispiel Lilo Wanders, Guido Maria Kretschmer oder Ralph Morgenstern.
Trotz aller Kritik im Vorfeld fand ich mich dann doch zur ersten Folge im „Schmutzigen Hobby“, einer Bar auf dem Berliner RAW-Gelände ein, um mit zwei Freunden den Staffelauftakt von „Queen of Drags“ zu sehen.
Viel Drama, Drama, Drama
Wer einen Drag-Contest wie das „Drag Race“ aus den USA kennt, weiß: Sowas läuft immer mit viel Drama ab. Das ist ein typischer Bestandteil der Dragkultur. Auch Heidi rechtfertigte sich gleich zu Beginn für die viele Kritik im Vorfeld der Sendung: „Ihr habt das ja vorher vielleicht auch schon gesehen, dass in der Zeitung stand, so von wegen: ‚Ich versteh nicht, warum die Heidi da mitmacht.’ Dann denk ich mir: Ich bin offen für alles. Tolerant für alle Menschen.“ Doch genau das zeigt, dass Heidi das Problem nicht verstanden hat: Sie bewertet eine Kultur, von der sie bislang noch nie ein Teil war. Die anwesenden Dragqueens können nichts anderes tun, als einfach nur stumm zu nicken. Wer würde denn die eigene Jury kritisieren, bevor es überhaupt richtig losging?
Eine gute erste Hälfte! Was kommt noch?
Während Conchita Wurst und Olivia Jones in der ersten Folge etwas das Ruder übernehmen, macht sich bei Heidi doch das bislang noch etwas fehlende Verständnis bemerkbar: Während Olivia Jones einen spitzzüngigen Kommentar wie „Dein Auftritt erinnert mich an das DDR-Fernsehballett“ oder „Kommst du aus dem Kleid nur mit einer Geflügelschere wieder raus?“ nach dem anderen raushaut (auch das ist typischer Bestandteil der Dragkultur), fallen Heidi nur die typischen GNTM-Phrasen ein: „In deinem Gesicht ist ja mal gar nichts los.“
Heidi wirkt zwischen den zwei Szene-Größen Olivia Jones und Conchita Wurst irgendwie verloren. In der ersten Folge kam Heidi nicht oft zu Wort. Und das ist auch gut so. Ich bin gespannt, wie sich die Sendung weiter entwickelt: Denn die Dragkultur hat sie auf jeden Fall schon mal von den kleinen Bühnen des Landes auf die Donnerstag-Abend Primetime gebracht. Das ist immerhin schonmal ein kleiner Schritt.