Hat die Berliner Späti-Kultur bald ein Ende?

am 10.07.2019

Andere Städte in Deutschland haben das Büdchen, die Trinkhalle oder halt den Kiosk, in Berlin ist das Lädchen um die Ecke als Späti bekannt. Die Geschäfte, oft nur auf wenigen Quadratmetern, zeichnen sich insbesondere durch die Öffnungszeiten am Sonntag aus. Felix kommentiert:

Spätis haben sich in Berlin zu einer Rettungsstation entwickelt. Eine Rettungsstation für all diejenigen, die Sonntagmittag bei Katerstimmung auf einmal merken, dass doch keine Tiefkühlpizza oder keine Nudeln für den One-Night-Stand vom gestrigen Clubbesuch mehr übrig ist.

Also schnell runtergeflitzt und die benötigten Lebensmitteln beim Späti gekauft. Doch was ist das? Dort, wo man sonst immer H-Milch, Zucker und Toastbrot kaufen konnte, hängt jetzt ein Schild, dass der Laden zukünftig Sonntags geschlossen hätte. Schuld dadran ist das Ladenschlussgesetz.

Typischer Späti in Berlin

Das Gesetz gibt es zwar schon seit 2006, allerdings ist der Sonntag für die Spätis der wichtigste Tag in der Woche. Warum sollte man sich auch sonst in die engen Läden trauen und das doppelte für die Tiefkühlpizza bezahlen, wenn es in einem Supermarkt viel einfacher ist? Nur hat dieser am Sonntag im Regelfall nicht geöffnet. Eine Spätibesitzerin hatte gegen das Gesetz geklagt - und beim Berliner Verwaltungsgericht verloren

Von nun an müssen die Kioske Sonntags geschlossen bleiben. Geht damit ein weiteres Stück Berliner Kultur verloren? Oder noch schlimmer: Ist Berlin bald das neue Bayern? Dort ist das erzkonservative Ladenschlussgesetz schon lange trauriger Alltag: Der einzige Supermarkt in München, bei dem man Sonntags seinen gekühlten Sekt bekommt, ist der REWE im Hauptbahnhof. Hoffentlich wird das, was wie eine Storyline aus einem Horrorfilm klingt, nicht bald im weltoffenen und liberalen Berlin Realität. 

Doch nicht jeder hat Verständnis für die große Bedeutung der Spätis in Berlin. So sagte der Grüne Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, dass für ihn der Späti eben nicht das Freiheitssymbol der westlichen Welt ist. Damit zeigt er, wie wenig er von dieser Berliner Späti-Kultur verstanden hat. 

Das Späti-Vebot richtet sich nicht nur gegen uns Kunden*innen sondern auch gegen die Besitzer*innen: Oftmals als Familienbetrieb geführt, kommen die kleinen Läden wegen steigender Mieten nur dank der Öffnung am Sonntag über die Runden.

Der Grund für das schließen von Geschäften liegt weit zurück und ist kirchlicher Natur. Am Sonntag sollte man lieber in die Kirche zum Gottesdienst gehen, anstatt zum Sterni in den Späti. So steht es schon immer im 3. Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen! Doch immer mehr Menschen treten durch die Aufklärung aus der Kirche aus, fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist nicht einmal (mehr) Mitglied in der Kirche. Es ist erschreckend, das sich eine große Mehrheit von einer Minderheit in die Knie zwingen lässt.

Klar sind Gesetze wie das Ladenschlussgesetz wichtige Arbeitnehmerrechte. Die Mitarbeiter*innen der Kioske sollen so geschützt werden und Sonntags Zeit für Familie und Freunde haben. Dagegen ist ja an sich auch nichts einzuwenden, allerdings macht für die Spätibetreiber*innen, wie schon beschrieben, der Sonntag den größten Anteil des Umsatzes aus. Verliert er diesen, muss er möglicherweise auch das Geschäft schließen und die Mitarbeiter*innen entlassen. 

Das Verkaufsverbot existierte zwar schon länger, bislang warnten sich die Spätibetreiber*innen aber immer untereinander mit Walki Talkis, sollte einmal das Ordnungsamt auf Streife umherfahren.

Alles in allem: Es ist wichtig, für die Berliner Spätis zu kämpfen. Für die Berliner Freiheit. Denn schließlich sind damit ganze Familien-Existenzen verknüpft. Denn er ist immer für dich da: Dein Späti um die Ecke.

Gegen das Sonntagsöffnungsverbot kann man bei openPetition eine Petition unterzeichnen.