Als Sophia und ich von dem Projekt „Einblick in den Gehörlosen Alltag“ gehört haben, waren wir gleich hochmotiviert und haben versucht, unsere Namen und ein paar Grundlagen auf Gebärdensprache zu lernen. Wir wussten, unser Interesse ist groß, wir möchten gerne dahin.
Am letzten Freitag war es dann soweit, wir konnten unsere neu erlernte Fähigkeit ausprobieren. Wir von jup! Berlin waren nämlich bei der ersten Veranstaltung dieses Projektes, bei der Einführung in das Leben der Gehörlosen und der Gehörlosen Geschichte bei Yomma, einer Gebärdenschule in Prenzlauer Berg. Yomma wird seit 2013 von Mathias Schäfer und Benedikt Sequeira Gerardo, zwei tauben Männern, geführt. Das Projekt „Einblick in den Gehörlosen Alltag“, mit weiteren Veranstaltungen rund ums Thema Gehörlosigkeit, wurde von Fatma & Juliana, zwei gehörlosen Jugendlichen, ins Leben gerufen. Sie möchten jungen hörenden Leuten im Alter von 15-25 Jahren ihre gehörlose Welt näher bringen. Das Projekt wird durch die Jugendjury Friedrichshain- Kreuzberg gefördert. Diese Jury unterstützt finanziell Projektideen von Kindern und Jugendlichen im Alter von11-27 Jahren und wird umgesetz im Rahmen des Jugend-Demokratiefonds Berlin, "STARKgemacht! - Jugend nimmt Einfluss". (Ihr habt auch Ideen, braucht aber eine Förderung? Dann schaut auf stark-gemacht.de!)
Aber nun zu der ersten Veranstaltung dieses Projektes. Das Treffen mit den beiden Projektleiterinnen und Mathias fand in einem kleinen Raum, der Gebärdenschule Yomma statt. Als wir den Raum betraten, begrüßten uns direkt die Gehörlosen mit einem Winken und einem freundlichen Lächeln. Das ist die Art der Gehörlosen „Hallo“ zu sagen. Damit wir mit den Gehörlosen problemlos kommunizieren konnten, waren auch zwei Dolmetscher*innen da. Es war super spannend zu sehen, wie schnell die beiden die Gebärden aufgenommen und uns flüssig übersetzt haben. Wir saßen auf gemütlichen Sofas und wurden mit Trinken und Knabberzeug versorgt. Viele waren nicht da, weil es nur eine gewisse Anzahl an Teilnehmern gab. Also war es eine überschaubare, behaglich kleine Runde. Juliana und Fatma haben zu Beginn den Vortrag von Mathias mit einer kleinen Begrüßung eingeleitet. Danach fing Mathias mit seinem Vortrag an. Mathias hat uns erst einmal erklärt, dass er den Begriff "taubstumm" nicht mag, da Gehörlose ja nicht stumm sind, sondern über ihre eigene Sprache, nämlich der Gebärdensprache, kommunizieren. Viel lieber mag er den Begriff taub oder gehörlos. Des Weiteren machte er uns mit seiner Firma bekannt. Es folgte eine Erklärung, wie er und sein Partner auf den Namen Yomma gekommen sind. Yomma lehnt sich an das ähnlich klingende Wort Komma. Mit Bedeutung, dass sich die Firma nicht nur auf eine Sache konzentriert, sondern auf mehrere Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel auf Kunst. Außerdem klingt Yomma ein wenig wie Komm´ mal, also wie eine Einladung die Gebärdenschule einmal kennenzulernen. Das "Yo" klingt wie jo / ja und steht dafür, dass sie alle Herausforderungen, die ihnen gestellt werden, annehmen und sie sich erst einmal anschauen, bevor sie etwas direkt ablehnen. Als die wichtigen Fakten abgeklärt waren, fing er an uns von seinem Leben zu erzählen, wie und wo er aufgewachsen ist.
Mathias wuchs in der DDR in Potsdam bei Berlin auf. Sehr erstaunlich ist, dass seine Eltern hören können und sich bis heute weigern die Gebärdensprache zu lernen, weshalb sie sich mit ihrem Sohn mit Zettel und Stift unterhalten. Dennoch schaffen sie es miteinander zu kommunizieren. Sicherlich mit ein paar Hürden, aber immerhin verständlich. Mathias ging als Kind auf ein Internat mit anderen Hörgeschädigten. Das war während des Mauerfalls. Ein für mich sehr interessanter Fakt ist, dass er in Essen, der zu seiner Schulzeit einzigen Stadt Deutschlands, in der Gehörlose Abitur machen können, sein Abitur mit einem Durchschnitt von 1,3 gemacht hat. Mittlerweile gibt es mehrere Schulen in Deutschland, an denen man sein Abitur als Gehörloser absolvieren kann. Etwas später hat er dann sein Studium trotz Gehörlosigkeit mit Hilfe von Dolmetscher*innen und einer Schreibkraft mit Bravur absolviert. Während des Vortrags war Mathias stets offen für Fragen und hat uns jederzeit die Möglichkeit gegeben mehr über das Thema Gehörlosigkeit zu erfahren. Außerdem erzählt er uns von seiner Familie, dass er mit einer gehörlosen Frau verheiratet ist und drei hörende Kinder hat. Diese wachsen Bilingual auf, das bedeutet, sie können Gebärdensprache und die deutsche Lautsprache sprechen.