Europawahl 2019: So war es als Erstwahlhelfer*in!

von
am 27.05.2019

Am Sonntag, den 26. Mai 2019, fand nun endlich die lang ersehnte Europawahl in Deutschland statt!

Auf kein anderes Ereignis wurde dieses Jahr so gebannt hingefiebert: Welche Abgeordneten werden in das Europäische Parlament in Brüssel versandt? Welche Parteien gewinnen am meisten Zustimmung beim Volk? Und: Wieviele Menschen würden nun wählen gehen?

Es blieb spannend, und die Diskussionen im Vorfeld waren hitzig. Bereits in den Monaten dafür warben die Parteien für sich, was das Zeug hält. Und auch die Jugendlichen hatten besonders dieses Jahr mal ein Wörtchen mitzureden - Stichwort U18! - wobei ihre Stimmen Wind in jeder Richtung wehten: #fridaysforfuture ließ keinen so richtig kalt, und auch bei der Europawahl kam dieses Thema nicht zu kurz.

Doch bei dem ganzen Gerede um die Spitzenkandidat*innen und Favorit*innen muss man sich doch mal eine ganz grundlegende Frage stellen: Wie genau läuft denn eigentlich so eine Wahl ab? Klar, Zettel ankreuzen und in eine Wahlurne einwerfen ist schon mal drinne, aber - ist das denn eigentlich so easy im Organisationsablauf wie es scheint? Sind da nicht Berge von Papieren, die auch mal durcheinander geraten können? Und mal ganz ehrlich: Das geht doch nicht immer mit ganz rechten Dingen zu, oder?

Fragen über Fragen - und ja, diese habe auch ich mir gestellt. Und bevor man sich da jetzt den Kopf zebricht - wie, was, wo - sollte man es doch einfach mal selber ausprobieren.

Also, ran an die Papiere: Es wird mitgeholfen!

Die Idee dazu bekam ich, als ich ein Plakat gesehen habe. "Du möchtest dich für die Demokratie in Europa einsetzen? Werde Wahlhelfer*in!" . Warum denn eigentlich nicht? Bevor sich alle krum und quer ärgern, wie vertrauensunwürdig und fälschlich der Wahlprozess ist, kann man doch den Spieß umdrehen. Mach's doch selbst besser, dachte ich mir. Und so kam es dann auch.

Das Programm, in das ich mich geschleust habe, war speziell für junge Menschen ausgelegt. Gar nicht mal so schlecht: Bei meinem Antritt zum ersten Seminar (Thema "EU") kam ich mir schon etwas doof vor, weil ich manchmal schlichtergreifend gar kein Plan hatte. Verflixt und zugenäht, was genau macht nochmal der Europäische Rat? Und wer ist eigentlich Präsident des Europäischen Parlaments? Alles kein Unding: Ich stand mit meiner unwissenden Miene nicht alleine da, und die Verunsicherung verflog schnell.

Mit viel Spaß und interaktiven Rätselspielen konnte man auch den muffeligsten Langschläfer wach kriegen. Und auch der zweite Seminartermin war nicht weniger lustig: Es wurden die extremsten Fälle in einem Simulationsablauf des Wahltags vorgeführt, und das nicht zu vorsichtig. Von exzentrisch-randalierenden Wählern bis hin zu Menschen mit Behinderungen, auf jede Situation wurde man genaustens vorbereitet. Leckere Snacks und interessante Gespräche inklusive, denn auch das war bemerkenswert: Jeder brachte unterschiedliche Geschichten, Motivationen und Kritik gegenüber politisch relevanten Themen mit. So wurde eben auch über unterschiedliche Fragestellungen auf EU-, aber auch nationaler Ebene gebrainstormt und debattiert. Alles auf Augenhöhe natürlich, da die Trainer*innen selbst teilweise junge Student*innen waren und sich im Stiftungsprogramm engagierten.

Alle schön und gut, aber wann würde es nun endlich so weit sein? Schnell noch die schriftliche Anmeldung an das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf in meinem Falle. Dabei wurde man natürlich auch unterstützt - und dann war die letzte Zwischenstation eigentlich nur noch ein Infoabend. Und was für einer! Wer dachte, das hier einfach mal Däumchen gedreht wird, der hat sich geirrt. Ein Dokument nach dem anderen flogt durch den Raum. Da weiß man ja schon gar nicht mehr, wo man hingucken soll! Aber alles zählt und das merkte ich auch am Wahltag: Gültigkeitskriterien beim Ankreuzen der Stimmzettel, Führung des Wählerverzeichnisses sowie Zählliste, Aufbau von Wahllokal und natürlich das Unterrichten und Einhalten vom angemessenen Knigge während des Wahltags. Tatsächlich ein großer Brocken, wenn man - wie meine Wenigkeit - nach der erstrelevanten Postion des Wahlvorstehers die Schriftführung übernimmt. Bloß nicht am Ende die Niederschrift versemmeln, da ist höchte Konzentration gefragt!

Augen auf halten!

Da hakt es ehrlich gesagt auch schon: Das ist Verantwortung. Und wenn man es genauer nimmt, auch eine kleine Machtposition. Klar, rumfeixen geht nicht, der Wahlvorsteher hat ein Auge auf alles. Aber (pssst, hört ihr nicht von mir): Wenn die Gruppendynamik stimmt, kann man hier "theoretisch gesehen" (mit höchster Vorsicht zu formulieren) auf einen Nenner kommen. Derr ist nicht immer korrekt. Leider hat das auch die Vergangenheit bewiesen: Auch bei den Bundestagswahlen 2017 wurde Wahlbetrug bei einer Landtagswahl vermutet, wo daraufhin Ermittlungen eingeleitet wurden. Man merkt also recht schnell, dass es auch mal kritisch werden kann.

Kann. Dass man hierbei ziemlich ausgeklügelt tricksen müsste, um erfolgreich mit Wahlfälschung durchzukommen, steht auf einem anderen Blatt und kommt verglichenerweise selten vor. Das wird auch in aller Regel vermieden, denn meist finden sich im Wahlvorstand komplett unterschiedliche Menschen vor. Auch ich war in unserer Gruppenkonstellation die einzige, junge Person. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. eines Ehepaares) kannte sich der Rest nicht. Abgesehen von diesem Denkanstoß eines Risikos verlief die Europawahl in meinem Wahllokal ganz ruhig: Keine größeren Probleme oder Schwierigkeiten, die sich einem in den Weg stellten. Doch die Energie für den ganzen Tag musste man schon mitbringen.

Der frühe Vogel fängt den Wurm!

6 Uhr morgens aufstehen, mit dem Essens-Survival-Kit um 7 Uhr im Wahllokal antanzen, um 8 Uhr beginnt der Spaß, bis 18 Uhr kommen die Wähler, und dann wird auch noch ausgiebig und haargenau ausgezählt. Zum Glück wurden Schichten eingeteilt, und da ich glücklicherweise nebenan wohne, konnte ich mir ein Mittagsnickerchen nicht verkneifen. Das braucht man definitiv! Irgendwann wird einem schonmal der Nacken steif, wenn man durchweg einen dicken Ordner hin- und herwälzt,  super schnell Namen durchrattet & ankreuzt sowie gefühlt eine Million mal & maschinell den Satz "Sie können jetzt Ihren Stimmzettel einwerfen" sagt.

Doch, das Gemecker mal beiseite: Die Zeit verflog schnell. Und es waren noch genug Energie übrig, um fix mal in der Pause selbst wählen zu gehen (ja, Schande über mein Haupt, ich habe die Briefwahlbeantragung verschlafen). Ergo: Kein Hals- und Beinbruch, sich mal den ganzen Sonntag da reinzuhängen - wenn natürlich die Kapazitäten bereits durch die Vortage für die neue Woche aufgeladen sind.

Fazit: Ende gut, alles gut!

Ein langer Tag geht zu Ende! Trotz kleinen Abstimmungen bei der Auszählung verlief dann doch das meiste reibungslos und fließend. Auch die Niederschrift konnte problemlos und mit guten Gewissen ausgefüllt werden, direkt nachdem die Schnellmeldung telefonisch vom Vorsteher an das Bezirksamt verkündet wurde. Und schon trennten sich die Wege!

Ja, und was nehme ich mir daraus mit? Ganz klar: Die Erfahrung und den Gedanken: "Na, sieh mal einer an, ist ja doch nicht so ein Zuckerschlecken!". Alles muss genaustens ausgeführt und protokolliert werden, und bei größeren Abweichungen kann es schon mal zu einer Diskussion führen. Doch für jedes Problem gab es eine Lösung, und das Teamwork funktionierte super. Für mich war es spannend, einfach mal dabei zu sein, zu beobachten, welche Menschen so vorbeikommen und wie die Stimmungslage ist (Nebenkommentar: Auch bei uns waren "Die Grünen" ganz klare Sieger). Tatsächlich fiel mir in meinen Schichten auf, dass größtenteils ältere Menschen zur Wahl kamen, und nur ein paar junge Wähler*innen dabei waren. Das könnte aber auch gut an der eher ruhigeren Wohngegend gelegen haben.

In jedem Falle war es toll, auch mal vor Ort dabei sein zu können. Kleine Anekdote und freundliche Komplimente zum Engagement und Beitrag zur Demokratie blieben da nicht aus - hach, was will man denn mehr?