Wie frei sind wir?
Freiheit definiert jede*r anders. Für manche ist es das Reisen, für andere bedeutet es frei ihre Meinung zu äußern zu können. Jede*r setzt in Sachen Freiheit andere Prioritäten. Natürlich hat jemand mit einem höheren Einkommen mehr Möglichkeiten und somit auch mehr Freiheiten, aber im Grundgesetz sind wir alle eigentlich gleichermaßen frei. Das war jedoch nicht immer so!
Vor gar nicht mal allzu langer Zeit war die Hälfte der Menschen in Deutschland unfrei. Frauen. Vor 150 Jahren durften sie nicht wählen, nicht arbeiten, wurden im Gesetzesbuch als Menschen zweiter Klasse gehandelt, beziehungsweise nicht benannt. Im gesellschaftlichen Miteinander waren sie auch sehr stark unterrepräsentiert. Das änderte sich jedoch langsam. Gesetzesänderung traten in Kraft und das Mindset der Leute änderte sich. Doch wie frei sind Frauen in Deutschland heute wirklich?
Frauen werden aktiv
Ab 1731 gab es erste Frauenbewegungen in Deutschland, die sich für mehr Gleichheit und das Wahlrecht einsetzten. Die ersten Jahre der Frauenbewegungen waren hart und steinig. Erste größere Erfolge waren ab 1848 Frauenzeitungen, welche damals noch nicht mit den besten Diät Tipps gefüttert waren. Frauenproteste wurden nach einigen Durchführungen,von der deutschen Regierung schnell wieder verboten. Doch wir wären nicht da wo wir jetzt sind, hätten die Frauen von damals einfach aufgegeben.
1865 wurde der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) gegründet. Sie forderten die Verbesserung der Berufstätigkeit und der Bildungschancen für Frauen. 1893 wurde das erste Mädchengymnasium gegründet. Frauenkonferenzen wurden abgehalten. Anfang des 19. Jahrhunderts konnten sich Frauen erstmals in politischen Vereinen und Parteien als Mitglieder beteiligen. 1918 folgt das Wahlrecht der Frauen. Es entstanden erste Bücher über die Frauenrevolution 1848. Ab 1919 saßen erste Vertreterinnen im damaligen Reichstag, dem heutigen Bundestag.
10 Schritte vor, 100 Schritte zurück
Mit der Machtübernahme/Machtergreifung der NSDAP 1933 wurde Frauen das passive Wahlrecht wieder entzogen. Vereine wurden aufgelöst. Studienmöglichkeiten eingeschränkt, Frauen in Führungspositionen des Staatsdiensts wurden entlassen. Frauenverbände wurden wie andere zivilgesellschaftliche Organisationen verboten. Die Nationalsozialisten vertraten ein altes, toxisches Bild von Mann, Frau und der Ehe. Der „ideale Mann“, der „stark“ und herrisch ist. Die „ideale Frau“, die den Mann und die 5 Kinder versorgt und ihrem „Schatzi“ niemals widerspricht.
Frauen kommen in das Grundgesetz
1945 teilt sich die Geschichte der Frauenrechte. Deutschland wurde nach der NS Zeit von vier Siegermächten aufgeteilt. Amerika, Frankreich und Großbritannien gründeten die BRD und die damalige Sowjetunion gründet die DDR.
In der DDR ging es vor allem darum, die vom Krieg zerstörten Städte wieder aufzubauen. Die Wirtschaft musste angekurbelt werden, deshalb wurden Frauen sofort in den Arbeitsalltag integriert und auch im Grundgesetz gleichberechtigt. Die Zahl der berufstätigen Frauen stieg von 49% (1950) auf 90% (1990). Da waren sie der BRD weit voraus – könnte man jetzt vielleicht denken. Es ging der Regierung jedoch nicht um die Emanzipation der Frauen – nein - einzig um die Wirtschaft und ihren eigenen Vorteil. Frauen durften bis zum Schluss nicht im zentralen Machtzentrum mitarbeiten. Sie waren nur Mittel zum Zweck.
Und wie war´s so in der BRD?
Nach dem politischen Aufbau 1946 und mehreren Protesten im Mai 1949, folgte die Aufnahme eines neuen Entwurfes ins Grundgesetz. Es besagt, dass Frauen und Männer gleichberechtig sind. Das alltägliche Leben sah, jedoch anders aus.
Erst 1958 wurde das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Ab diesem Zeitpunkt, konnten Frauen ohne Einwilligung des Ehemannes Arbeitsverträge eingehen, eigenes Vermögen verwalten und durften über ihren Wohnort bestimmen.
Es folgten erste Frauen im Bundeskabinett, das Mutterschutzgesetz, neue Frauenbewegungen. 1971 bekannten sich erstmals prominente Frauen abgetrieben zu haben. Das war ein richtig großer Meilenstein und ein mutiges Zeichen! 1972 wurde die erste Bundestagspräsidentin ins Amt erhoben. Gleichzeitig wurde das erste Frauenzentrum eröffnet und der erste bundesweite Frauenkongress abgehalten.
Nach der Wiedervereinigung
1993 wird Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung anerkannt. 1998 wird Vergewaltigung in der Ehe erstmals unter Strafe gestellt. 2001 erreichen Frauenrechte UN-Standard. 2016 verabschiedet der Bundestag ein neues Sexualstrafrecht „Nein heißt Nein“.
Heutzutage
Jedes einzelne dieser Ereignisse führte zu unserer heutigen Gegenwart. Es wurde viel erreicht. Auf der gesetzlichen Ebene sind Männer und Frauen fast alle gleich. Dennoch sieht der Alltag oft anders aus. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Große Firmen die sich die Frauenquote auf 0% in der Führungsebene setzten, freuen sich darauf ihre alte, männliche Vorstandsgeschichte fröhlich weiter zu betreiben. Auch der Gender Pay Gap stellt uns vor Ungleichheiten. Frauen verrichten weiterhin vorrangig ihre Arbeit in sozialen Berufen (welche schlechter bezahlt werden, als zum Beispiel wirtschaftliche Berufe). Frauen entscheiden sich öfter für die Familie als den Beruf, weshalb sie öfter Teilzeit arbeiten und viel Care-Arbeit leisten. In gleichen Berufsfeldern mit identischer Qualifikation verdienen sie ebenfalls weniger. All das und mehr zeigt, dass es noch viel zu tun gibt.
Was wollen wir der nächsten Generation mit geben?
Es gab viele Fortschritte und Errungenschaften. Uns sollte aber stets bewusst sein, dass wir unsere nächste Generation, wie auch vor 100 Jahren, für die Zukunft sozialisieren. Männliche Babies werden anders wahrgenommen als weibliche Babies. Wenn beide schreien, wird bei dem einen Kleinkind Wut, bei dem anderen Traurigkeit gesehen. Wie sollen Kinder, die als Heulsuse betitelt werden, wenn sie traurig sind, lernen was Empathie ist? Wie sollen sie sich in andere hineinversetzten, wenn sich niemand in sie hineinversetzt? Wie sollen männlich sozialisierte Kinder, die Grenzen der weiblich sozialisierten Kinder wahrnehmen, wenn man ihnen nicht beibringt, dass auch sie eigene emotionale, körperliche Grenzen haben? Diese sollten wie auch bei jeder*m andere*/n respektiert und akzeptiert werden. Natürlich ist nicht nur die Sozialisierung der männlichen Personen wichtig, sondern auch der weiblichen. Weiblich sozialisierten Kindern wird bei gebracht, diplomatisch zu sein, keine Wut oder Ärger zu zeigen und immer hübsch auszusehen. Das muss sich auch ändern. Der Schlüssel dafür heißt Feminismus.
Ihr habt doch nur drauf gewartet, dass das Wort kommt
Ihr merkt es schon, der Feminismus, der aus der Frauengeschichte hervorgekommen ist, dreht sich nicht nur um Frauen – er dreht sich um uns alle. Feminismus will Gleichheit für jeden Menschen schaffen. Dafür ist er da. Er wurde aus der Ungerechtigkeit gegenüber Frauen geschaffen, lebt jedoch nicht nur für weiblich gelesene Personen weiter, sondern für jede*n. Deshalb kann jeder Feminist*in werden und sollte es auch.