GOLDEN TWENTIES ist das Langfilmdebüt Sophie Kluges. Sie ist die Tochter des bekannten Filmemachers, Fernsehproduzenten, Schriftstellers, Drehbuchautors, Philosophen und Rechtsanwalts Alexander Kluge, der einigen von euch auch ein Begriff sein könnte. GOLDEN TWENTIES handelt von dem, was wohl jeder junge Mensch irgendwann einmal durchleben muss. Der Film beschäftigt sich mit der Frage nach dem eigenen Platz in der Welt.
Ava hat ihr Studium abgeschlossen, zieht nun mit Mitte 20 wieder bei ihrer Mutter ein und ist auf der Suche nach ein wenig Berufserfahrung im Haifischbecken des Arbeitslebens. Doch so einfach ist das gar nicht, dieses „Erwachsenwerden“. Mit Mitte 20 und einem abgeschlossenen Studium steht einem die Welt offen, doch was fängt man mit dieser Tatsache eigentlich an, wenn man selbst noch gar nicht so genau weiß, wo man hin will?
Gerade wenn man keinen genauen Plan für die Zukunft hat, und gerne Berufserfahrung sammeln will, aber alle (oder zumindest sehr sehr viele) Arbeitsplätze eine gewisse Vorerfahrung einfordern, die niemand geben will. Erwachsenwerden ist nicht leicht und das zeigt der Film nur allzu gut. Doch er zeigt auch, dass das Leben Spaß macht. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die glücklich machen können, wie zum Beispiel am Fenster zu sitzen und dem singenden Nachbarn von Gegenüber dabei mit einem Lächeln beobachten, wie er seine Blumen gießt.
Selbstverständlich ist GOLDEN TWENTIES nicht der erste Film, der sich mit dem Thema auseinandersetzt. Dennoch erkenne ich nicht nur Parallelen zu meinem eigenen Leben, sondern auch zu anderen teils wesentlich älteren Filmen. So erinnerte mich die Szene, in der Avas Mutter eine Party veranstaltet und Ava scheinbar wahllos von Gästen angesprochen wird, an die Party Szene aus DIE REIFEPRÜFUNG (1967, R: Mike Nichols).
In beiden Filmen werden die College- bzw. Universitäts Absolventen*innen gefragt, wie ihr Plan für die Zukunft aussehen würde und in beiden Filmen, klingt die Antwort etwa so: „Ich wollte jetzt demnächst mal schlafen gehen“. Seit den 60er Jahren mag sich vieles verändert haben, aber auch die heutige Generation in ihren Zwanzigern scheint weiterhin ihren Platz in der Welt zu und einen Plan für die Zukunft zu suchen.
Anders als in DIE REIFEPRÜFUNG scheint Ava diesen Plan für die Zukunft am Schluss des Films immer noch nicht gefunden zu haben und kann sich nicht von ihren Problemen befreien. Dafür werden ihr kontinuierlich neue Probleme und Schwierigkeiten offenbart, wie beispielsweise die überglückliche Schulfreundin von früher, deren Freund sich im Badezimmer seine ganze Beziehungsfrustration vor Ava von der Seele redet.
GOLDEN TWENTIES betrachtet das Leben voller offener Fragen, feinfühlig und mit Humor, auch wenn mir persönlich das Lachen teilweise etwas verging. Besonders wenn ich mir darüber bewusst wurde, dass ich selbst diese Situation bereits selbst erlebt habe oder dass ich genauso gut diese ratlose junge Frau auf der Leinwand sein könnte.
Ava muss sich beispielsweise nicht nur vor den Freund*innen ihrer Mutter rechtfertigen, was man denn mit „Conflict Resolutions und Peace Studies!“ anfangen würde, sondern sie muss sich auch gegenüber ihrer Mutter und ihrem Vater beweisen, die sich in einer späteren Szene des Films über die Interessensgebiete ihrer Tochter streiten.
Eine weitere humorvolle Szene beginnt damit, dass Ava mit einem Schauspieler aus dem Theater verabredet ist, in dem sie hospitiert. Sie bittet ihre Mutter, die hinter Ava die Tür abschließen möchte, nicht die Kette vorzulegen, weil Ava nachts dann nicht mehr in die Wohnung kommen würde. Als die später wieder nach Hause kommt und die Tür aufschließen will ist, wie sollte es nicht anders sein, natürlich die Kette vorgelegt, sodass sie den neuen Freund ihrer Mutter aus dem Bett klingeln muss.
GOLDEN TWENTIES ist eine wirklich akkurate Darstellung des Lebens in den 20ern, einer Zeit in der man einfach teilweise etwas abtreibt. Es gibt so viele Möglichkeiten, aber man weiß nicht wo man anfangen soll oder wie man mit all diesen Möglichkeiten umgehen sollte. Der schwerste Teil ist alles auszuprobieren und mehrfach hinzufallen, um danach aufzustehen und sich der nächsten Möglichkeit hinzugeben.
Dass der Film in Berlin spielt, hat mir persönlich zudem auch sehr gut gefallen, weil ich es mag meine Heimat durch einen Film mit anderen Augen wahrzunehmen. Des Weiteren wird der Film allein durch die sanfte und gleichzeitig eindrückliche Präsenz und das wunderbare und überzeugende Schauspiel Henriette Confurius' getragen. GOLDEN TWENTIES ist durchaus empfehlenswert, besonders aber für alle jungen Menschen, die sich aktuell in der gleichen Situation, wie Ava befinden.