Expressionistisches Theater at it's best

von
am 05.02.2019

„Schädel werden von Schulter zu Schulter gerollt“, das sind die ersten Worte, die im kleinen Theatersaal der BOX des Deutschen Theaters erklingen. Es wird HOOL gespielt und nach meinem Besuch bei den Proben wusste ich bereits, dass es kein ruhiger, gesitteter Abend im Theater werden würde. Stattdessen wird geschrien, geflucht und auf den Boden gespuckt. Es werden Bilder auf die weißen Wände der Bühne projiziert und zeitweilig wird der Geräuschpegel im Saal unerträglich laut, doch ich genieße es. Ich genieße es sogar sehr und als die letzten Sätze fallen und das Licht schließlich ausgeht, fühle ich mich wie nach einem Drogenrausch.

HOOL ist die Adaption des gleichnamigen Debüt-Romans von Philipp Winkler, der die Geschichte von Heiko und seinen vier Jugendfreunden erzählt.

„Eine wirkliche Familie gab es in Heikos Leben nicht. Die Mutter lässt die Kinder beim alkoholkranken Vater zurück. Ihm hat Heiko nichts mehr zu sagen und auch bei den Frauen in seinem Leben, seiner Schwester Manuela und bei Ex-Freundin Yvonne, fehlen ihm die Worte. Sie sind in seinem Kopf, kommen aber nicht heraus. Sehr präsent sind jedoch Poborsky und Bigfoot, zwei Kampfhunde und der Geier Siegfried. Um die kümmert sich Heiko und um Heiko kümmert sich Onkel Axel, Patriarch der Hooligan-Szene. Vor allem aber sind da die Jugendfreunde: Kai, Ulf, Jojo. Außer dem einen, der fehlt. Mit seinen Blutsbrüdern schlägt er sich durch für das, was ihm alles ist: Hannover 96, die Hools, ihr Mythos und die dritte Halbzeit nach dem Spiel. Mit unbändigem, toxischem Zorn führt Heiko einen immer einsameren Kampf, als seine Ersatzfamilie erwachsen wird und andere Wege wählt.“

(Quelle: Deutschen Theaters über HOOL)

HOOL am Jungen DT

Das Theaterstück inszeniert mit vier Erwachsenen und vier Kindern Heikos Leben. Wie er zu dem wurde, wer er heute ist und wie ihm die Hooligan-Szene und seine Freunde Kraft geben. Wie die Wut zu seinem Antrieb wird und der Tunnelblick einsetzt, um etwas festzuhalten, was längst verloren ist.

Zeitweilig kann diese Aufteilung der verschiedenen Personen auf nur vier Schauspieler*innen echt verwirrend sein und eine Aussage meiner Freundin zum Ende des Stücks, fasst HOOL inszenatorisch recht gut zusammen. Sie meinte zu mir: „Warum sind jetzt plötzlich alle Heiko?“. Lasst euch gesagt sein, dass es absolut nicht schlimm ist, wenn ihr am Ende aus dem Stück geht und das Gefühl habt, nur die Hälfte verstanden zu haben. Selbst ich, die das Stück inzwischen zweimal gesehen hat, habe noch nicht alle Personenkonstellationen und Handlungen durchblickt. Also auch mir fehlen die endgültigen Erkenntnisse.

Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass das Stück schlecht inszeniert oder die Geschichte gar schlecht von den Schauspieler*innen verkörpert wird, sondern eher, dass man sich von der Suche nach Sinn lösen und sich auf das Stück einlassen sollte.

HOOL ist emotional, impulsiv, überwältigend, aggressiv, aber auch unfassbar gut gemacht und sehr einprägsam. HOOL ist halt modernes Theater in dem die konventionellen Strukturen aufgelöst werden und beispielsweise mit Licht experimentiert wird. Und darin probiert sich HOOL definitiv aus.

Für mich ist modernes Theater im Allgemeinen expressiv und es geht eher um das Gefühl, das dem Zuschauenden vermittelt werden soll oder das es beim Zuschauer hervorruft. Die Handlung spielt eine untergeordnete Rolle.

Mir persönlich ist besonders die Szene im Kopf geblieben, in der Jeremy Mockridge wie ein Verrückter über die Bühne hüpft und einen überdrehten Fernsehmoderator bei der Ziehung der Fußball-Paarungen spielt. Diese Szene hat total viel Spaß gemacht, weil sie so überdreht, zwanglos und schön verrückt war. Aber auch die anderen Mitglieder des Ensembles verkörpern ihre Figuren mit Authentizität und besonderer Intensität. Besonders die Jungschauspieler, die die jüngere Versionen der erwachsenen Figuren spielen, verdienen ein Kompliment, da sie bereits in ihrem jungen Alter die Charaktere sehr nahbar, einfühlsam und glaubwürdig verkörpern.

Zur Umsetzung des Romans in ein Theaterstück kann ich leider wenig sagen, da ich den Roman nicht gelesen habe, aber das, was ich vom Stück mitgenommen habe, hat mich auf jeden Fall beeindruckt. HOOL ist einfach so ganz anders als das, was ich bisher im Theater gesehen habe und seit diesem Theaterstück ist mein Interesse fürs Theater gestiegen und ich möchte in 2019 versuchen, wieder häufiger ins Theater gehen.

HOOL feierte bereits am 01. Dezember 2018 Premiere, doch auch jetzt noch sind die Karten sehr begehrt. Also wenn ihr euch das Stück im Deutschen Theater anschauen wollt, solltet ihr euch besser schnell Karten sichern.

Termine:

  • 12. Februar, 19.30 Uhr
  • 01. März, 19.30 Uhr
  • 22. März, 19 Uhr

Regie: Adrian Figueroa

Besetzung: Christoph Franken, Sascha Göpel, Liou Kleemann, Jeremy Mockridge, Friedrich von Schönfels, Oskar von Schönfels, Loris Sichrovsky und Caner Sunar