#jufo 2021 - Warum junge Stimmen so selten gehört werden und wie Formate wie das Jugendforum einen echten Unterschied machen könnten

am 06.07.2021

Die Problematik, die ich heute aufarbeiten will, ist kompliziert und vielschichtig. Um sie zu begreifen, müssen wir uns erst einmal einlassen auf die Welt der Zahlen und Statistiken und eine kleine Reise machen durch die Umstände, die Generationengerechtigkeit schier unmöglich scheinen lassen. Es beginnt mit dem Wahlalter. In den ersten 18, bzw. 16 Lebensjahren eines jungen Menschen scheinen dessen Sorgen und Wünsche, die eigenen Interessen für die Zukunft, in diesem Land, Deutschland, - so fühlt es sich jedenfalls gerade oft an - viel zu oft keinerlei politische Bedeutung zu haben.

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Warum dies so ist, wird deutlich, wenn man die Zahl junger Wahlberechtigter und deren Interessen jenen der älteren Generationen gegenüberstellt. Beispielsweise räumen ein großer Teil der Menschen über 60 Jahren Zukunftsthemen, wie u.a. den schweren Folgen des menschengemachten Klimawandels, im Verhältnis zu jungen Menschen deutlich weniger Priorität ein. Für sie sind Themen, wie die Rente, wichtiger. Dem gegenüber steht die jüngere Generation, die nun schon seit längerer Zeit u.a. im Rahmen der Fridays for Future Bewegung kontinuierlich versucht, das Thema Klimawandel und die damit verbundene Notwendigkeit des Handels in die größere Öffentlichkeit zu bringen. Fakt ist jedoch, dass über 60 Jährige im Jahr 2021 voraussichtlich ganze 38% der wahlberechtigen Personen in Deutschland stellen werden und Menschen unter 30 Jahren nicht einmal 15%! Verstärkt wird dieser Effekt natürlich auch durch den demografischen Wandel.

Junge Menschen haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie eben nicht mehr bereit sind, weiterhin vergessen zu werden

Bei der Betrachtung der Interessen der verschiedenen Generationen und deren Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung wird eines erschreckend deutlich: Für - aus meiner Sicht- vom Wahlerfolg abhängige Parteien, scheint es aus strategischer Sicht schlicht nicht sinnvoll, die Belange junger Menschen in das Zentrum der politischen Agenda zu rücken.

Dass der Berliner Senat mit Initiativen wie dem Berliner Jugendforum dennoch zeigt, dass ihm junge Menschen eben nicht egal sind, ist ein Erfolg. Dieser geht aber auch darauf zurück, dass junge Menschen in den letzten Jahren immer wieder gezeigt haben, dass sie eben nicht mehr bereit sind, weiterhin vergessen zu werden.

Der Wille der Politik, auf junge Menschen und ihre Bedürfnisse einzugehen, ist da. Ebenfalls gibt es auch immer mehr junge Menschen, die ihre Ideen und Perspektiven für Veränderungen endlich an die Zuständigen bringen wollen. Es klingt, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Aber einen Konstruktionsfehler hat die Sache leider immer noch.

Wir Jugendlichen werden leider weiterhin viel zu selten wirklich gefragt, wie wir uns Beteiligung am politischen Geschehen vorstellen (könnten).

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Jugendbeteiligung basiert leider noch immer oft auf der Idee, dass Entscheidungsträger*innen alleine entscheiden, an welcher Stelle sie sich die Meinung junger Menschen einholen und wie sie mit dieser umgehen möchten.

Um die Problematik heutiger Jugendbeteiligung aufzuzeigen, möchte ich eine provokante These in den Raum werfen, im Folgenden jedoch begründen und in Bezug darauf aufzeigen, wie wir gemeinsam Formate wie das Jugendforum besser machen könnten:

Echte Beteiligung war das Jugendforum 2021 nicht!

Die Themen des #jufo2021 hätten nicht näher an der Lebensrealität der jugendlichen Teilnehmenden sein können. Denn  "Schule und Bildung", "Rassismus und Diskriminierung", "Sport und Freizeit" sowie "Partizipation und Beteiligung" sind Themen, die junge Menschen jeden Tag in unserem Bildungssystem praktisch (er)leben. Kein Wunder also, dass es auch im Ausschuss "Bildung und Schule", an dem ich teilgenommen habe, nicht lang gedauert hat, bis Forderungen auf dem Tisch waren, die in ihrer Durchdachtheit und Qualität den Wahlprogrammen etablierter Partein in Nichts nachstanden. Noch ein kurzer Realitätscheck und Spezifizierung mit Expertinnen aus den thematisierten Bereichen und die Jugendlichen fühlten sich bereit, sich mit ihren Forderungen der Politik zu stellen.

Am Tag des Jugendforums selbst ist es dann so weit: Erst einmal werden die Forderungen in Diskussionsrunden mit geladenen Politiker*innen verschiedener Parteien thematisiert. Es wird erläutert, warum es realpolitisch so schwer und langwierig ist bspw. für ausreichend Schulpsycholog*innen zu sorgen. Aber auch, dass die Poliker*innen die geteilten Erfahrungen und Bedürfnisse der Jugendlichen mitnehmen und in die eigene Arbeit einfließen lassen wollen. Als feierlicher Abschluss werden die Forderungen aller Ausschüsse vorgestellt und der Senatorin für Bildung, Jugend und Familie sowie dem Präsident des Abgeordnetenhaus, Ralf Wieland, überreicht.

Aber was bleibt neben den schönen Bildern, den wohlgemeinten Worten und dem Gefühl „der Jugend“ zugehört zu haben?

Was wird aus den Sorgen und Bedürfnissen der Jugendlichen, die mit derart viel Herzblut geteilt, formuliert und zu konkreten Forderungen ausgearbeitet wurden. Nun. Vielleicht fließen sie tatsächlich in die Arbeit der Politiker*innen ein. Vielleicht machen sie tatsächlich einen Unterschied. Vielleicht aber auch nicht. Die Jugendlichen möchten jedoch wissen, was mit ihren Forderungen passiert und ob diese tatsächlich berücksichtigt werden!

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Das System, wie junge Menschen aktuell an politischen Entscheidungen beteiligt werden, muss noch einmal grundliegend überdacht und anschließend gemeinsam verändert werden. Ich bin dazu bereit.

Somit stellt sich die Frage, wer eigentlich am Ende die Gewinner*innen des Projektes sind?  Die Politiker*innen, die gezeigt haben, dass sie „der Jugend“ zugehört und ihnen einen Stimme gegeben haben? Oder die Jugendlichen, die weiterhin die Unsicherheit plagt, ob ihre Forderungen jemals realpolitischen Einfluss erhalten?

Die fehlende konkrete Wirksamkeit des Jugendforums ist jedoch keinesfalls ein Einzelfall. Das Problem liegt eher darin, wie Jugendbeteiligung in der Politik leider oft funktioniert. Ein Bespiel hierfür ist der Berliner Schüler*innenausschuss. Es handelt sich dabei um das einzige Gremium für junge Menschen, das seine Legitimation aus der Berliner Verfassung selbst zieht, dennoch defakto keinerlei Kompetenz besitzt, die über Öffentlichkeitswirkung hinaus geht.

Wenn wir als Gesellschaft jedoch eine echte Beteiligung unserer jüngeren Generation wollen und Politik dabei als Sprachrohr der Gesellschaft verstehen, die es auch als wichtig erachtet, dass Jugendliche nicht nur ihre Stimme erheben können, sondern diese auch etwas zählt: Dann, ja dann rufe ich dazu auf, dass wir das System, wie junge Menschen aktuell an politischen Entscheidungen beteiligt werden, noch einmal grundlegend überdenken und anschließend gemeinsam verändern müssen. Ich bin dazu bereit. Und IHR?

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Es braucht Formate, in denen Jugendliche angehört UND bei den weiteren Entscheidungen, was mit ihren Forderungen passiert, mitentscheiden können

An dieser Stelle möchte ich gerne ein paar Vorschläge machen, wie das eventuell aussehen könnte:

Es braucht nicht nur Formate, in denen Jugendliche von der Politik angehört werden. Es braucht Formate, in denen Jugendliche angehört UND bei den weiteren Entscheidungen, was mit ihren Forderungen passiert, mitentscheiden können. Formate, in denen junge Menschen nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihre Hand für oder gegen Entscheidungen im Sinne gelebter Demokratie und Teilhabe erheben können und diese Hand auch etwas zählt.

Im Hinblick auf das Thema "Schule und Bildung": Beteiligt Schüler*innen an der Erarbeitung von Lehrplänen. Lasst Jugendliche an der Entwicklung von Freizeit - und Kulturangeboten mitentscheiden. Ich bin mir sicher, dass es hierfür bereits einige Möglichkeiten und Konzepte für gute und konsequente Jugendbeteiligung gibt. Auch das Jugendforum könnte und sollte Teil davon sein!

Warum treffen wir uns also nicht noch einmal, in einem halben Jahr, und schauen uns gemeinsam an, was mit unseren Forderungen passiert ist? Welche davon umgesetzt wurden und aus welchem Grund andere wiederum nicht? Lasst uns doch gemeinsam erarbeiten, wie gute und vor allem wirkungsvolle Jugendbeteiligung für und von Jugendlichen in Zusammenarbeit mit der Politik funktionieren kann und was es hierfür braucht. Lasst uns doch gemeinsam ein Jugendforum 2022 entwickeln, dass wirkungsvoll(er) ist. Auf das wir alle gemeinsam zurück schauen und sagen könne: „Diese Entscheidungen sind Erfolge unseres Jugendforums"!

Ich bin auf jeden wieder Fall dabei und würde mich darauf freuen.