Jugend meets Politik

Eines steht fest: Ein Barcamp wird erst verstanden, wenn es besucht wird. Theoretisieren klappt hier eher weniger. Denn genau das ist die Idee hinter einem Barcamp: „Es steht noch nichts so richtig fest?! Man kann die Methode am ehesten als eine Art Un-Konferenz bezeichnen. Vorgegeben sind Räume und Zeiten, genannt Time Slots.“

Jugend BVV in Lichtenberg als Barcamp

Am 10.11.18 fand die erste Jugend BVV in Lichtenberg in Form eines Barcamps statt. BVV steht für Bezirksverordnetenversammlung. Da kommen Menschen zusammen, die viele Entscheidungen treffen, die für den Bezirk wichtig sind: Wahl der/s Bezirksbürgermeisters/in, Geldausgaben, Kontrolle der Verwaltung und, und, und. Bei einer Jugend-BVV treffen Kinder und Jugendliche auf echte BVV-Mitglieder und können sagen, was ihnen wichtig ist. Dieses Mal wurden sogar Patenschaften geschlossen. An der Jugend-BVV haben sich viele Jugendfreizeiteinrichtungen und auch Schulen beteiligt. Außerdem waren die Ausschussvorsitzenden der Lichtenberger BVV zu Gast.

Ein Camp ohne Zelt, dafür mit Beteiligung

Im Barcamp gab es zu Beginn die Eröffnungsphase, in der die Räume und Slots mit dem gefüllt wurden, was die Teilnehmenden „mitgebracht“ hatten. Diese Inhalte heißen Sessions und können praktisch alles sein: Diskussionen, Fragen, Proben, Workshops, Lesungen, Jam Sessions, Eis essen, etc. Es wird kein Thema unter den Tisch gekehrt und alles an Vorschlägen hat seine Berechtigung. Die Teilnehmenden entscheiden nach dieser Phase, die Sessionplanung und zu welchen Sessions sie gehen werden.

Mit fünf Räumen und jeweils drei Time Slots werden im Idealfall 15 Sessions angeboten. Jede*r Teilnehmende kann an dem Tag aus diesem Angebot wählen oder selbst ein Angebot machen. So sind aus Teilnehmenden, Teilgebende geworden. Überschneidungen mit mehreren Lieblingsthemen sind bei einem Barcamp ein Luxusproblem. Hier kommt das Etherpad ins Spiel: Ein Online-Dokument, welches in den Sessions als Protokoll dient. Jeder Session-Teilnehmende kann da reinschreiben. Damit können alle Teilnehmenden auch außerhalb der eigenen Session nachvollziehen, was im Raum nebenan passiert.

Die Themen auf einen Blick

So wurden folgende 13 Themen festgelegt und im Session-Plan verankert:

  • Mieten in Lichtenberg
  • Angst auf dem Schulweg
  • Jugendkulturveranstaltungen
  • Öffentlichkeitsarbeit (Fotos und Artikel)
  • DJ Grundlagen vermitteln
  • Schulplatz
  • Wie werde ich Musiker*in?
  • Ein sauberes Lichtenberg
  • Gespräch mit Chadi
  • Unflexibles Schulsystem
  • Was ist eine Jugendjury?
  • Pflege von Jugendclubs
  • Mehr Mädchenarbeit

Ergebnisse

In den nächsten 3 Stunden besuchten alle Interessierten die Sessions. Die Jugendlichen und die Politiker*innen kamen ins Gespräch und schlossen Patenschaften ab. Begleitet wurden die Sessions per "graphic recording". Dabei wird das Gesagte sofort live in Comiczeichnungen umgesetzt. Eine Art Bild-Protokoll entsteht.

So wurde in der Session „Pflege von Jugendclubs“ darüber nachgedacht, dass es auch für Jugendfreizeiteinrichtungen, ein Sanierungsplan geben müsste und dass sich die Jugendlichen mit den JHA Mitgliedern über Instagram vernetzen wollen, um die Kommunikation zu verbessern und auf Projekte aufmerksam gemacht zu werden.

In der Session „Mehr Mädchenarbeit“ wurde darüber nachgedacht, Hygieneartikel für Mädchen und Frauen kostenlos zu vergeben, mehr Räume für Mädchen zu schaffen und ein eigenes Mädchenbarcamp durchzuführen.

Im Themenbereich „Unflexibles Schulsystem“ wünschten sich die Schüler*innen, dass sie sich gerne mehr in die Auswahl der Fächer einbringen wollen und dass ihnen ein Tag „Home Office“

(wie in skandinavischen Ländern) sehr entgegen käme.

In der Session „Schulplatz“ berichteten Jugendliche darüber, Willkommensklassen besucht zu haben und danach keine Plätze in Regelklassen bekommen konnten. Sie erzählten, dass für sie die Jugendfreizeiteinrichtungen wie ein zweites Zuhause geworden und Sprachlerntandems eine tolle Unterstützung sind.

Die Vorsitzende des Kulturausschusses Camila Schuler sowie die Jugendhilfeausschuss-Vorsitzende Claudia Engelmann, schlossen eine Patenschaft mit Jugendlichen ab, in der es darum geht, im Jahr 2019 ein Punkrockfestival in Hohenschönhausen gemeinsam zu organisieren.

Ein besonderes Highlight stelle die Patenschaft zwischen dem 11-jährigen Chadi und dem Gesundheitsausschussvorsitzenden Fritz Wolff dar. Herr Wolff wird Chadi seinen Bauarbeiterhelm, den er noch von der 750-Jahrfeier Berlins aufbewahrt hat, schenken. Denn Chadi will Bauarbeiter werden.

Zum Schluss kamen alle nochmals zu einer Abschlussrunde zusammen und berichten von ihren Erfahrungen. Das Barcamp ist somit eine ideale Methode für direkte Partizipation. Kein Barcamp kann wiederholt oder präzise vorhergesagt werden. Es ist im Grunde wie eine improvisierte Versammlung, die durch den Zeitplan und die Räume zusammengehalten werden.

Zum Ausklang gab es noch zwei Konzerte von zwei wunderbaren Musikerinnen, die uns in den Abend begleiteten.

Ein Bericht von Manuela Elsaßer (Koordinatorin für Kinder –und Jugendbeteiligung in Berlin-Lichtenberg)