Soziale Isolation & Mental Health

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am 08.05.2020

Vor welchen Gefahren steht unsere psychische Gesundheit in Zeiten der Krise?

Was für eine Zeit! Der Frühling steht vor der Tür, die Vögel zwitschern, die Sonne scheint warm und hell. Die Temperaturen geben uns fast schon so etwas wie “Summer-Feeling”. Was nach einem Traumszenario klingt, ist für den einen oder anderen leider nicht ganz so positiv: Die Corona-Krise, bei der ein neuartiges Virus sich über den Globus streut, lässt uns alle den Atem anhalten - und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Das sogenannte COVID-19 verbreitet sich rasant mittels Tröpfcheninfektion und setzt sich im Rachenraum an. Das besonders Gefährliche dabei: Vor allem in der Lunge kann das Virus sehr aggressiv angreifen und darunter vorwiegend immunologisch schwächere Menschen zu kämpfen.

Ältere Menschen und Vorerkrankte sind also von allen Bevölkerungsgruppen jene, die der Gefahr am Meisten ausgesetzt sind. Bei hoher Menschendichte droht höchste Ansteckungsgefahr, heißt vor allem erstmal eines: Auf Abstand gehen! Kontakte minimieren, so gut es geht. “Social Distancing” nennt sich neben dem Händewaschen die wichtigste Maßnahme in der aktuellen Zeit. Eine Regel, an der wir uns aus Solidarität und Respekt vor dem Leben und der Gesundheit unserer Mitmenschen halten.

Problematik

Die Krise stellt nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unser gesellschaftliches Leben auf die Probe. Um große Menschenansammlungen zu vermeiden, wurden ebenfalls sämtliche öffentliche Einrichtungen auf Anweisung der Regierung vorerst geschlossen. Kinos, Theater, Museen… das kulturelle Leben friert ein. Nach und nach ziehen auch weitere Unternehmen mit. Letztendlich scheinen die Städte weltweit, in Asien über ganz Europa bis hin zu den Vereinigten Staaten, wie leergefegt zu sein. Ein Bild, das wir so nicht kennen. Auch hier in der Metropole Berlin ist es ungewöhnlich ruhig.

“Social Distancing” - sich sozial zu distanzieren -  bedeutet vor allem: Viel mit sich selbst sein. Aus Schutzgründen sind wir also praktisch gezwungen, viel Zeit mit uns selbst zu verbringen und nur im allernötigsten Maß Kontakt mit anderen Menschen einzugehen. In diesem ganzen Durcheinander, hat sich von einen auf den anderen Moment alles auf den Kopf stellt. Es bleibt eine Frage: Was macht soziale Isolation mit unserer psychischen Gesundheit?

Menschen und ihr soziales Umfeld

Menschen sind soziale Lebewesen. Auch wenn jeder Menschen unterschiedliche Ausprägungen in der eigenen Persönlichkeit hat, so ist doch jeder im alltäglichen und gesellschaftlichen Zusammenleben stets auf seine Mitmenschen angewiesen. Ob wir es nun immerzu wollen oder nicht, so spielen unsere soziale Kontakte eine enorm wichtige Rolle. Sei es bei der Arbeit oder im Privatleben - in jedem Bereich unserer Lebens können wir davon profitieren, Menschen um uns herum zu haben und so mit ihnen in mehreren Sub-Gesellschaften agieren zu können.

Dass die Einbindung eines Individuums in einer sozialen Gruppe von großer Bedeutung ist, zeigt sich auch in der Wissenschaft der Evolution und Menschheitsgeschichte: In den früheren Zeiten war es gar überlebenswichtig, sich innerhalb einer Gruppe bewegen zu können. Nur so war es den Menschen in der Steinzeit möglich, sich zum Beispiel gegen gefährliche Feinde schützen oder Beute zur Nahrungsversorgung erlegen zu können.

So verschieden Menschen auch sind: Sie brauchen eine Gemeinschaft, in die sie sich einbinden können.

Eine Welle der Einsamkeit

Heute muss sich wohl niemand große Sorgen machen, ob man alleinstehend überleben kann, sondern eher wie. Und dieses “wie” scheint in unserer modernen Zeit eine ziemlich große Rolle zu spielen: Viele Menschen leiden an Einsamkeit. Und das ist keine Spur zu pauschalisierend formuliert, denn auch hier weiß die Wissenschaft erstaunliches. Derselbe Teil in unserem Gehirn, der für physischen Schmerz zuständig ist, wird tatsächlich auch bei emotionalen Schmerz aktiviert. Deswegen kann man hier wortwörtlich von Leid sprechen. Das kann auf Dauer sehr belastenden Auswirkungen auf unser Leben haben.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Einsamkeit in erster Linie eine Empfindung - also ein Gefühl - ist, welches wahrgenommen wird. Es kann, muss aber (Achtung, sehr wichtig!) NICHT zwangsläufig mit sozialer Isolation in Zusammenhang stehen. Umkehrend besteht jedoch mit allergrößter Häufigkeit die Folge, dass soziale Isolation zu Einsamkeit führt. Und das sollte man der eigenen Gesundheit Willen nicht unterschätzen.

Wir brauchen also Freunde zum Quasseln und Menschen um uns herum, auf die wir eingehen können und die unser Leben bereichern. Doch so, wie die Situation aktuell aussieht, scheint die universelle Lösung auf das Problem nicht eindeutig zu sein. Nicht für jeden funktionieren die entsprechenden Alternativen im Umgang mit sozialen Kontakten. Es fehlt einfach eine gewisse Nähe. Wie lange kann man so bei Laune gehalten werden?

Krise in der Krise

Genauso wie das Virus selbst, sind für viele Menschen die entsprechenden Umstände neu. Einige kommen nur schwer damit klar, die meiste Zeit mit sich selbst zu sein -  vor allem, wenn man in einem Ein-Person-Haushalt lebt. Wohin mit den Gedanken? Wohin mit der Energie? Was soll man machen? Wie geht es nun weiter?

Dabei häufen sich so viele Fragen an, dass es verständlich ist, wenn es die eigene Psyche belastet. Zumal für viele Selbständige oder Unternehmer die Ausgangsbeschränkungen nicht nur Däumchen drehen heißt, sondern auch die konstante Sorge um ihre Existenz. Niemand weiß, was für konkrete Folgen wir in der Wirtschaft erwarten können. Dass wir uns aber auf eine handfeste Regression vorbereiten und es viele Arbeitsplätze kosten wird, lässt wohl den ein oder anderen nachts nicht gut schlafen. Die Stressbelastung ist also enorm.

Denken wir mal im weiteren Verlauf an die Jüngeren unter uns: Wie geht es eigentlich Schüler*innen oder Student*innen? Wie sollen Lehrveranstaltungen stattfinden oder gar Prüfungen gehalten werden? Auch hier weiß man nicht genau, welche Zukunftsperspektive man im Bildungssystem schaffen kann. Zumal das ja auch alles Landespolitik ist und die einzelnen Bundesländer in der Auslegung ihrer Maßnahmen und Bedingungen variieren. Auch hier stapeln sich also Fragen über Fragen, die nicht so einfach gelöst werden können. Und das seien nur zwei Beispiele von dutzenden problematischen Konsequenzen der Einschränkungen. Probleme, die Unruhe verbreiten.

Einfluss von sozialer Isolation auf Mental Health

Nach den Infektionsfällen stehen insbesondere auch Menschen mit psychischen Erkrankungen vor einem Riesen-Dilemma. Wie soll hier eine optimale Versorgung gewährleistet werden? Gerade in diesem Teil der Gesundheitsbranche - der psychotherapeutischen Behandlung - ist es das A und O, nah mit dem Menschen zu arbeiten. Oder aber auch der alltägliche Umgang mit Menschen, der Patienten Normalität und Stabilität im Leben gibt. So aber fehlt die direkte Verbindung. Die Folge: Krankheitssymptome können sich verschlimmern oder neue Ängste schüren sich. 

Man mag sich nicht vorstellen, welchen “Trigger” die momentane Situation mit dem Händewaschen für Zwangserkrankte ist. Oder wie Menschen mit Depression sich noch mehr zurückziehen und so in ein noch tieferes Loch fallen können. All die, die auf Unterstützung angewiesen sind, sind nun in erster Linie auf sich selbst gestellt.  Es erweist sich eindeutig als schwierig, dass sich Menschen, die unter normalen Umständen schon Schwierigkeiten haben, die entsprechende Hilfe in einer solchen Krise selbst geben können. Fachspezialisten warnen, dass es zu akuten Fällen wie etwa Suizid kommen könnte.

Man versucht durch Prävention dem so gekonnt wie möglich entgegenzuwirken, zum Beispiel indem auf Online-Beratungsangebote zurückgreift. Doch ob das auf Dauer in jedem Belangen eine Lösung sein kann, ist fragwürdig. Die Situation ist für jeden Beteiligten nicht leicht umzusetzen. Betroffen sind halt nicht nur die mit einem konkreten Krankheitsbild, sondern auch die, für die sich die Corona-Krise neuartig zu einer psychische Dauerbelastung entwickeln kann. Letzten Endes sind wir da wohl mehr oder weniger aus demselben Holz geschnitzt: Wir brauchen Aktivität um uns herum! Es hält uns vital.

Soziale Isolation kann zu einer Dauerbelastung führen, die ernsthafte Konsequenzen auf die seelische Gesundheit haben kann.

Jeder ist seines Glückes Schmied

Veränderungen, Angst, Sorgen, Unsicherheit… bei so einer Ungenauigkeit fragt man sich ja nur, was man in dieser brisanten Lage selbst beeinflussen kann. Leicht ist es nicht, die Ruder an andere abzugeben und einfach mal abzuwarten. So ein bisschen Kontrollverlust trifft ja nicht bei jedem auf ein leichtes Gemüt. Also was tun, damit einem nicht komplett die Decke auf den Kopf fällt?

Experten raten zunächst einmal: Umdenken! Man sollte eher versuchen, die negativen Assoziationen aus dem Denken zu entfernen und von “Physical Distancing” sprechen. Man muss sich nicht zwangsläufig entsozialisieren. Bleibt also stets in Kontakt mit Freunden und lasst euch gegenseitig wissen, was ihr so macht.

Bestimmt ist dieser Ausnahmezustand nicht für jeden gleich leicht zu überwinden, aber es muss nicht immer nur ein Verlust bedeuten. Vielleicht kann es ja auch eine Chance zur Entschleunigung und Umstrukturierung sein? Kreativität ist da höchstes Gebot: Warum nicht mal ein neues, spannendes Hobby ausprobieren? Mal eine Runde um den Block zu rennen, um Stück für Stück wieder Bewegung reinzubringen? Oder ganz andersrum: Wann habt ihr euch das letzte Mal so ein richtig entspannten “Faulenzer-” oder Self-Care-Tag gegönnt, mit allem drum und dran, nach dem Motto “Was das Herz begehrt”?

Lasst auch mal los!

Das ist eure Chance vom ständigen Hoch des hektischen Alltags runterzukommen und bisschen Zeit für euch zu finden. Macht ein paar Meditations- und Achtsamkeitsübungen, ohne dabei ständig durchzuhängen. Bleibt produktiv, aber zwingt euch nicht zur Höchstleistung. Routine ist gut und wichtig, aber löst euch von dem ständigen Müssen & Machen. Denkt dran: Wann - wenn nicht jetzt - ist der beste Zeitpunkt, um sich mal etwas in der Stille, die uns umgibt, zu erden? Eben. Nutzt die Ruhe, es kann auch was ganz friedliches haben. Und morgen wird schon alles ein Stückchen besser sein.