Der Eurovison Song Contest und die queere Szene scheinen wohl schon immer eine Verbindung gehabt zu haben: Überall im Zuschauerraum sieht man Menschen Regenbogenfahnen schwenken, 2014 gewann die Transvestiekünstlerin Conchita Wurst den Gesangswettbewerb. Der ESC ist wohl neben dem Christopher Street Day einer der beliebtesten Feiertage der queeren Community. So passt es auch, das ich mir in der Instutition des queeren Berliner Leben schlechthin den ESC ansehe: Dem Schwulen-Zentrum, kurz SchwuZ.
Das große Finale, das am Samstagabend lief, wurde von Jurassica Parka und Didi Disco, zwei bekannte Berliner queere Persönlichkeiten moderiert.
Im Vorfeld des Eurovison Song Contest hatte ich mir bereits die Halbfinal-Shows am Dienstagabend und Donnerstagabend vor dem Final-Wochenende angesehen. Bereits da hatte ich meine persönliche Favoriten gefunden, Niederlande stand mit "Arcade" auf dem 1. Platz dicht gefolgt von Russlands "Scream" und "She Got Me" aus der Schweiz.
Kommentiert wurde in diesem Jahr der ESC wieder von Peter Urban, dessen spitzen und bissige Kommentare schon Kult-Status erreicht haben. So urteilte er nach dem Dänischen Auftritt von Leonora mit "Love is forever": "Leonore mit Gulliver im Land der Riesen - klingt eher wie ein Kinderlied, das auch bei KiKa nicht mehr laufen würde". Doch er findet auch lobende Worte: So sieht er bei der Schweiz ein loderndes Feuer à la Luis Fonsi brennen: "Eine sehr schicke moderne Breitwandinszenierung in Schweizer Landesfarben bei Lucas Hännis feuriger Variante von Despacito."
Doch nicht alle Auftritte waren so gut wie beispielsweise Zero Gravity von Australien: Für 1,15 Millionen Euro trat Madonna vor der Verkündung der Jury-Ergebnisse auf. In ihrer zehn-minütigen Show wollte aber nicht jeder Ton so richtig sitzen. Die Perfomance an sich wirkte unsicher und auch ihre Stimme war nicht voller Inbrunst vorhanden, wie man es sonst meist von ihr kennt. Nach der Kritik an ihrem letzten Song wird es wohl Zeit für die 60-jährige, den Thron als "Queen of Pop" zu räumen und ihn an jüngere Nachfolgerinnen wie Lady Gaga weiterzugeben. Nach Madonna's Auftritt hagelte es Spott und Häme im Netz, Zuschauer*innen fragten ob das denn die echte Madonna sei und waren froh, das man nicht für ihren Auftritt anrufen konnte, sie wäre bestimmt auf dem letzten Platz gelandet. Immerhin war "S!sters" der deutschen Delegation "Sisters" noch besser als Madonna. Scheinbar schien mit diesem Auftritt die Karriere der Künstlerin beendet zu sein.
Allerdings machte sich Madonna bei ihrem Auftritt für ein friedliches Miteinander der beiden zerstrittenen Nationen Israel und Palästina stark. So trugen zwei Tänzer*innen die jeweiligen Flaggen der Territorien und das, obwohl politische Botschaften während des ESCs eigentlich steng verboten sind. Um Israel und Palästina tobt seit über 50 Jahren der Nahostkonflikt. Doch nicht nur Madonna fiel mit politischen Statements auf, auch die isländische Gruppe Hatari hielt nach der Punktevergabe "Palästina"-Spruchbänder hoch und ernteten dafür Buhrufe aus dem Publikum.
Am Ende, nach einer spannenden Finale und der noch viel spannenderen Punktevergabe gewannen dann völlig zurecht die Niederlande mit ihrem Hit "Arcade", der auch einer meiner Favoriten im Vorfeld war. Wie jedes Jahr steht der Eurovision Song Contest für Vielfalt und Toleranz, weshalb auch der ESC 2020 ein spannendes und unterhaltsames Meisterwerk werden wird.