"Keiner darf zurückbleiben!"

am 13.06.2017

Um dem entgegenzuwirken fand vom 9. bis zum 11. Juni 2017 die "3. Bundeskonferenz der Straßenkinder" in Jamlitz (Brandenburg) statt. Über 100 obdachlose Kinder und Jugendliche aus Notschlaf- und Erstanlaufstellen deutschlandweit kamen an diesem Wochenende zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam langfristige Lösungsmöglichkeiten für ihre Situation zu erarbeiten. Organisiert wird diese Zusammenkunft von MOMO - The Voice of disconnected Youth, einem Projekt der Sozialgenossenschaft KARUNA Zukunft für Kinder und Jugendliche in Not Int. e. V. An diesem Projekt arbeiten Jugendliche, die selbst einmal auf der Straße gelebt haben und dadurch die Gedanken und Gefühle der Jugendlichen nachvollziehen und sich ihnen auf dem richtigen Wege widmen können. Neben der Sozialarbeit kümmern sie sich nämlich in erster Linie darum, die Interessen der Straßenkinder an die Politik heranzutragen und ihnen eine Teilnahme an dieser zu ermöglichen. Sie wollen dadurch nachdrücklich auf die Probleme aufmerksam machen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht erst wie welche wirken. Die Ergebnisse dieser Fahrt wurden dann am 12. Juni im Zuge einer Pressekonferenz ausgewertet. In erster Linie allerdings richteten sich die Wünsche der Jugendlichen in Form von selbstentwickelten Utopien an die neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Katarina Barley, die an diesem Montag interessiert und engagiert den Jugendlichen zuhörte.

Das Jugendhilfesystem ist fehlerhaft

So berichten die Straßenkinder, dass eines der größten Probleme das unausgereifte Jugendhilfesystem sei. Man ließe den Jugendlichen keine Freiheiten und würden ihnen nicht genug helfen, sich zu integrieren. Stattdessen unterziehe man sie zwangsweise ambulanter oder auch stationärer Behandlung, die nach rund zwei bis drei Jahren einfach ende und die Jugendlichen allein zurückließe. Daher fordern die MOMOs langfristige Hilfe, die besonders durch mehr Sozialgenossenschaften wie KARUNA gewährleistet werden könnte und den jetzigen Straßenkindern endgültige Integration in die Gesellschaft ermöglichen würde. KARUNA bietet den Jugendlichen nämlich sowohl 3.500 Hilfseinrichtungen, als auch eine Familie, aus der sie nicht einfach wieder entlassen werden, sondern an die sie sich ein Leben lang wenden können.

Kinder sind bis zum Alter von 25 Jahren von ihren Eltern abhängig

Ein weiterer Punkt ist die Abhängigkeit der Kinder von ihren Eltern: Noch nach der Volljährigkeit sind Kinder bis sie 25 Jahre alt sind von ihren Eltern abhängig und können ohne Ausbildung nicht von zu Hause weg, da sie so nicht mehr als 100 Euro verdienen können und aus diesem Grund weiterhin bei ihren Eltern wohnen müssen. Das Gleiche gilt auch für Beratungen, die die Straßenkinder sich losgelöster von ihren Eltern erhoffen. Oft sind die Eltern nämlich Teil oder ein entscheidender Grund dafür, warum die Jugendlichen keinen sicheren Wohnort mehr haben.

Mehr Sozialpädagog*innen für die Schule

Nach dem Elternhaus ist die Schule der nächste große Faktor im Leben eines Kindes. Die Jugendlichen wünschen sich mehr Sozialpädagogen. "Es kann nicht sein, dass an einer Schule mit 1000 Schülern ein Schulpädagoge eine Stunde dasitzt", kritisiert Laura, eine der MOMOs. Außerdem empfinden die Straßenkinder es als besonders wichtig, Schüler jeden Alters (im Grundschulalter beginnend) über sich selbst und ihre Lebenssituationen zu informieren. Sie möchten an Schulen gehen und von ihren Einzelschicksalen und den daraus resultierenden Lebensstilen erzählen. Das waren nur wenige der auf der Pressekonferenz vorgetragenen Utopien und Wünsche, die die Straßenkinder in den drei Tagen erarbeitet haben.

Straßenkinder im BMFSFJ

Zuletzt bleibt nur noch die Reaktion der Ministerin zu berichten und diese fiel überraschend locker und gleichzeitig bereits zielführend aus. Nach einigen verständnisvollen Worten an die Straßenkinder erzählt sie von Bildern, die ihre Vorgängerin Manuela Schwesig im Flur des Ministeriums aufgehängt hat und die Landschaften Mecklenburg-Vorpommerns zeigen. Im Zuge der Pressekonferenz gab es nämlich auch eine kleine Ausstellung von Malereien, die von einer Frau namens Babette Brühl von den Jugendlichen gemacht wurden und den "liebenden Blick" zeigen, der nach Babette der magische Moment nach dem ersten Kennenlernen ist. Er stellt wohl die Nächstenliebe dar, die sie gegenüber den Jugendlichen direkt ergriff. Diesen Blick fängt sie seit den 25 Jahren, die sie KARUNA kennt, in verschiedenen Fotoserien ein und bringt die Jugendlichen von diesen Bildern auf die Leinwand. Frau Barley war von diesen Bildern und von dem Projekt MOMO so angetan, dass sie kurzerhand entschieden hat, die Stillleben in ihren Ministeriumsfluren durch diese Gemälde zu ersetzen, "durch etwas, das sie wirklich berührt", meint sie. Das zeugt von Verständnis des großen Problems, was das Wort "Straßenkind" in Deutschland mit sich bringt, und einem Tatendrang, der seitens Frau Barley und damit seitens der Politik klar erkennbar ist. Die 3. Konferenz der Straßenkinder war demnach nach ein Erfolg, der auf Offenheit und damit zu erwartender Verbesserung gestoßen ist. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie sich das Projekt entwickeln wird und hoffentlich nennen wir die Visionen der Straßenkinder schon bald Gegenwart! Nun sind die Politiker*innen gefragt!