RUSSISCHE FILMWOCHE IN BERLIN 2017

am 01.12.2017

Die deutsch-russische Verständigung geht in eine neue Runde mit der RUSSISCHEN FILMWOCHE IN BERLIN! Noch bis morgen und seit Montag haben und hatten die unzähligen Russlandbegeisterten eine Menge spannender Filme zu begutachten. Für euch vor Ort war jup! Redakteurin Amanda unterwegs und schaute sich im Delphi Lux am Zoologischen Bahnhof die „Weißen Nächte“ von Tatjana Woronetzkaja und Andreij Bogatirew an.

Ich freute mich schon sehr darauf, in zeitgenössische, filmische und russische Gefilde eintauchen zu dürfen. Was das genau bedeuten würde, wusste ich zwar nicht genau, kümmerte mich aber auch nicht weiter drum. Ich werde es ja nach ca. 90 Minuten schon noch herausfinden, dachte ich.

Der Film „Weiße Nächte“ sollte wohl eine erneute filmische Auflage des gleichnamigen Romans von Dostojefki darstellen. Inwiefern dies wohl stimmen sollte, konnte ich leider persönlich nicht herausfinden - mein niedriger Bildungsgrad schloss die vorangestellte Lektüre des Originales in der Original-Sprache leider aus. So musste ich Vertrauen üben.

Nach den ersten verstrichenen Filmminuten kamen auch erste „Aha-Momente“. Der Film wird also in schwarz-weiß laufen. Ok. Anscheinend befinden wir uns in St. Petersburg, obwohl der Roller fahrende Protagonist auch in jeder beliebigen Großstadt zu finden wäre. Sein Style verrät ihn als einen „modischen“, jungen und wissbegierigen Mann – des schwarzen Filzhutes, der zerrissenen Jeanshose und der Statementkette sei Dank. Einige Geister mögen mich in diesem Moment schelten und wohl daran tragen, in dem sie mir unverhältnismäßige Strenge vorwürfen, doch konnten die bitteren Folgen einer stetigen Einheitsmode, also Einheitsästethik, an diesem Herren abgelesen werden. Arbeitslos, wie er war und zu touristischen Vergnügungen hingezogen, kam Feodor, oder auch Fjodr D. (wie er sich selber nannte), offenen Mundes und ständig filmend mit einer hübschen Tour-Guidin in Kontakt: Anastasia, blond, Mitte 20 (oder so), immer dieselbe Phrase wiederholend, erweckte seine Aufmerksamkeit. Nach einem kurzen Handyvideo, das Fjodor offenbar ausreichend schien, um sich in Anastasia (Nastja) gänzlich zu verlieben, beschattete dieser sie über den restlichen Tag hinweg.

Wenn unaufdringliche/aufdringliche Beschattungen des Gegenübers mit amourösem Werben übersetzt werden, befinden wir uns anscheinend im russischen Balz-Konstrukt, oder wie? So schoss es mir in diesem Moment durch den Kopf und wenn die Helden und Heldinnen zwar „modern“ gekleidet sind, Tattoos am Körper tragen, genauso viel Anspruch nehmen wollen auf sinnloses in den Tag reinleben wie „Berlin Tag und Nacht“-Charaktere, so dürfen sie immerhin nicht rauchen, keiner Polyamorie fröhnen oder unperfekt aussehen. Schade eigentlich.

Zwischendurch bin ich nur noch aggressiv….

Warum ich einen „Wolf“ auf anstrengende Melancholiker mit hohlen Aussagen habe, kann ich mir nicht erklären, nur dass die Liebesgeschichte, die sich unweigerlich zwischen Nastja und Fjodr, anbahnt, schlimm für mich ist. Aber ich muss weiter ausholen. Wie kann sich denn keine LiebesGESCHICHTE zwischen Mann und Frau anbahnen, wenn Mann will und Frau da ist? Weil STORY, ist so. Ich hoffe, dass mein gellender Zynismus auch auf den letzten, romantischen Sofareihen hörbar ist. Wie kann Fjodr, der als erlebnishungriger Tourist, dazu auch noch Junggeselle, sich in St. Petersburg aufhält, keinen Anspruch auf ein Abenteuer mit seiner angebeteten Nastja erheben? Und wie kann Nastja anders, die eigentlich einen anderen liebt, als sich nicht dem Charm Fjodrs zu ergeben? Und damit Fjodr zu erliegen? Er ist doch so gut zu ihr, obwohl sie ihn in die, angeblich vorhandene, „Friendzone“ verfrachtete!

Alles im Film nimmt demnach seinen Lauf. Verliebtheit verwandelt sich in Liebesgeständnis, Versprechungen über treue Loyalität in ruckartigen Abbruch und die Träume der beiden in wertlose Eintagsfliegen. Viele Elemente des Filmes waren genauso austauschbar wie seine Hauptcharaktere. Das Spannendste an ihm jedoch, so empfand ich, war die Kameraführung, die perspektivischen Stand- und Schnittbilder und die Tatsache, dass durchgängig auf Russisch gesprochen wurde.

Wer nach dieser Filmrezension noch Bock verspürt, sich den Film unbedingt zu Gemüte zu führen, kann das sehr gern tun. Eventuell werden die Liebesszenen euer Privatleben romantiklos erscheinen lassen, dafür könnt ihr euch aber mit dessen Echtheit trösten. Denn niemand, anders als es uns dieser Film glauben lassen macht, wirklich niemand, sieht nach mehreren Tagen in ein und demselben weißen Kleidchen so sauber aus, wie Nastja. Und noch weniger Normalos werden befürchten müssen, dass ein Möchtegern-„Traumerfüller“ ihnen in den Abendstunden in St. Petersberg mit guten Absichten folgen wird.