Yesterdays Kids - die Rebellen von gestern

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am 04.08.2016

Auch die Punks und Skinheads der vergangenen Jahrzehnte werden älter. Fotograf Tim Hackemack hat sich mit dem Thema fotografisch auseinandergesetzt und seine Ausstellung "Yesterdays Kids" zusammengestellt, die noch bis zum 20. August in der Galerie Knoth & Kröger in Berlin zu sehen ist. Abdu und Josy haben ihn in seiner Ausstellung getroffen.

Tim Hackemack ist ein Fotograf aus Münster. 37 Jahre alt und seit 5 Jahren nebenberuflich Fotograf. 1998 holte er sich seine erste Spiegelreflexkamera, damals noch mit Film. Mehr als ein Hobby ergab sich daraus jedoch nicht. Ein paar Jahre später entdeckte er dann den Spaß an der Musik wieder und die Leidenschaft zur Fotografie ruhte eine längere Zeit. 2011 kaufte er sich dann erneut eine Spiegelreflexkamera, mittlerweile schon digital. Dieses Mal blieb er dran. Es lief so gut, dass kurze Zeit später die ersten Aufträge ins Haus flatterten. Ein Jahr später begann er dann das Projekt „Yesterdays Kids“.

 

Yesterdays Kids - Portraits von Skins und Punks

Die Ausstellung dokumentiert Punks und Skins heutzutage. Falls du dich jetzt fragst: "Skins? Sind das nicht Nazis?" Das habe ich mich auch gefragt.

Skin bzw. Punk sein ist ein Lifestyle, der nicht zwangsweise politisch sein muss. Berlin ist bekannt für eine sehr politische Punkszene, dennoch ist nicht jeder Punk politisch, das Gleiche gilt für Skins. Tim Hackemack meint, dass es in seinem Buch wohl keine heute politisch aktiven Skins gäbe.

Ursprünglich bezeichnet der Begriff „Skinhead“ nur einen Jugendlichen mit kurzen Haaren oder Glatze. Entstanden ist die Skinhead-Bewegung in den 1960er Jahren in den Arbeitervierteln Großbritanniens. Dort feierten die britischen Jugendlichen Partys mit karibischen Einwandererkindern aus Jamaika und tanzten zu Ska- und Reggae-Musik. Somit kann der rassistische Background eigentlich ausgeschlossen werden. Es gibt jedoch auch andere Meinungen, die behaupten, dass der Skinheadtrend aus der Arbeiterbewegung der 1930er Jahre entstand, bei der die Arbeiter damals Schuhe mit Stahlkappen trugen. In den 1980er Jahren entstand dann in Deutschland der Bezug zur rechten Szene.

 

Die Protagonisten

Models hat Tim Hackemack für seine Fotoreihe nicht engagiert. Größtenteils waren es Freunde und Bekannte, da es ihm bei seinen Bildern auch darauf ankam, dass die Personen im Bild und die Bilder an sich immer noch natürlich rüberkommen und nicht zu gestellt wirken. Professionelle Models wären dafür kontraproduktiv. Außerdem brauche er Menschen auf den Fotos, keine leeren Models. Jedoch ist ein Fotoshooting für viele Menschen eine ungewöhnliche, ja sogar peinliche Situation. Um die Situation etwas aufzulockern, versuche er deshalb am Anfang schlechte

Witze zu erzählen: "Zieh du dich schon mal aus ich, hol dann mal die Kamera". Außerdem rede er viel. Sobald es das erste gute Foto gibt, zeigt er es dem Model und erklärt, was er daran gut findet. Dadurch wird das Model etwas selbstsicherer.

Kunst = Innovation?

Im Schulunterricht lernt man, dass Kunst innovativ sein muss, um Leuten zu gefallen bzw. um im Gedächtnis zu bleiben. Inwiefern sind jedoch die Bilder von Tim Hackemack innovativ?

„Gar nicht“, sagt Tim. Er glaube heutzutage nicht mehr an Innovation. Die vermeintliche Innovation sei es einfach, den Bogen etwas weiter zu spannen als den vorherigen. Die Grundidee bleibe jedoch die gleiche. Das lasse sich auf alles anwenden, was wir heute kennen.

Punks wollten unter anderem einfach rebellieren gegen das Elternhaus, aber auch das sei keine Innovation gewesen. Rebellion gegen das Elternhaus, gab es bereits vorher. So sei Rock'n'Roll schon eine Rebellion gewesen, ebenso die Hippies. Swing und Jazz waren auch nur eine andere Form. Doch heute lasse die Rebellion irgendwie nach, stellt der Fotograf fest. Berlin vor 30 Jahren sei wahrscheinlich viel spannender gewesen als heute. Es gab mehr Anarchie.

Aktuelle Rebellion in Berlin

Das heutige, noch nicht gentrifizierte Kreuzberg sei der Überrest einer längst vergangen Rebellion. Überreste gäbe es aber dennoch noch. Die R94 ist ein Überbleibsel der Häuserkämpfe der 1980er und 1990er Jahre (Anm. d. Red.: Rigaer Straße 94, ein scheinbesetztes Haus in Berlin-Friedrichshain, in dem es momentan einige Probleme mit Politik und Polizei gibt, weil die Anwohner der Gentrifizierung nicht nachgeben wollen). Kreative bzw. linke Räume schaffen und verteidigen, lautet dort bis heute Motto. Der Berliner Innensenator Frank Henkel will das jedoch nicht hinnehmen. Obwohl eine veranlasste polizeiliche Teilräumung im Nachhinein durch das Landgericht für rechtswidrig und somit als illegal erklärt wurde, gibt es dort weiterhin regelmäßige Polizeieinsätze.

Auch dazu hat Tim Hackemack eine Meinung, denn selbst in Münster hat man davon gehört: "Das ist so unglaublich! So ein Arschloch! Das ist so unglaublich! Man muss ja kein Fan der linken Szene sein, überhaupt nicht, aber so ein kreativer Raum, den einfach wegnehmen. […] Das sind Menschen, die in die Politik gehen, nicht um den Menschen zu helfen, sondern um ihre eigene Macht voranzubringen und mehr Einfluss zu haben, das ist nicht der Sinn von Politik. Der Sinn von Politik ist, dass man dem Volk dient[…]".

Tipps für Anfänger

Auch wenn sich Tim Hackemack selbst nicht als Mentoren-Typ sieht, hat er ein paar Tipps, die er Foto-Interessierten mitgeben möchte:

„Fotografie besteht zum großen Teil aus "Learning by Doing", wenn du dir eine Kamera gekauft hast, geh‘ raus und mach‘ einfach Fotos. Einen Großteil kannst du dadurch schon lernen und ein weiterer Vorteil ist, du lernst deine Kamera kennen. Auf Dauer kann dir das viel Zeit ersparen beim Fotografieren. […] Außerdem kannst du auch versuchen, Bilder nachzumachen, die du toll findest. Du analysierst dabei automatisch Bilder und lernst worauf es ankommt. […] Dennoch kommst du nicht um die Theorie drumherum. Irgendwann solltest du dir schon mal ein Buch anschaffen. Was auch empfehlenswert ist, sind YouTube Tutorials!“

Deine eigene Meinung zählt

„Auch wenn du kritisiert werden solltest, was sicherlich mal der Fall in deiner Fotografenkarriere sein wird, Kunst liegt im Auge des Betrachters. Es wird immer Leute geben, die deine Bilder nicht gut finden werden. Mach dir nichts draus, solange dir deine Bilder gefallen.“

Die Fotoausrüstung

Tim Hackemack fotografiert mit der Canon 5D Mark II und III, diese beiden Kameras bewegen sich bereits im Profisegment von Canon, wobei auch hier natürlich noch Luft nach Oben ist. Dennoch kostet jede der beiden Kameras etwa 1200 Euro.

Digitale Bildbearbeitung – Ein Muss für Hackemack

Was ebenfalls zur digitalen Fotografie gehört, ist die Bildbearbeitung. Im Gegensatz zu einigen anderen Leuten ist das für Tim Hackemack ein fester Bestandteil eines guten Fotos. Es sei wie das Entwickeln eines Films, nur digital. Zur Bearbeitung der Filter/Fotos nutzt er „Lightroom“ und ein Programm von Google. Mit den Programmen verpasst er den Bildern einen analogen Stil.

Trotz des enormen Inputs, den man heute via Internet an Bildern bekommen kann, hat Tim Hackemack kein festes Vorbild bei seinen Bildern. Es gibt einige Fotografen, die ihm gefallen, dennoch versucht er nichts zwangsweise, ihre Bilder nachzumachen.

Sein Lieblingsort

Jeder Fotograf hat in der Regel einen Lieblingsort, wo er fotografiert. Tims Lieblingsort ist im mittlerweile zu gefährlich geworden. Eine alte Stahlfabrik in der Nähe von Münster. Vor ein paar Jahren ist dort ein Mädchen zu Tode gekommen, seitdem besucht er diesen Ort nicht mehr.

Die Ausstellung Yesterdays Kids ist noch bis zum 20. August in der Galerie Knoth & Kröger zusehen. Diese befindet sich neben dem SO36 in der Oranienstraße in Kreuzberg. Zuvor war seine Ausstellung bereits in Münster und Bremen zu sehen. Die Bilder sind interessant und werfen einen anderen Blick auf vergangene Revolutionen der Jugend. Einen Besuch kann ich wärmstens empfehlen.

Mehr Infos:

Yesterdayskids.de