AfD ungeschminkt

am 19.02.2018

Beim politischen Aschermittwoch veranstalten viele Parteien auf regionaler Ebene Versammlungen, auf denen in Bierzelt-Atmosphäre politische Reden gehalten werden, die sich durch eine bunte Wortwahl und durch Seitenhiebe gegen andere Parteien auszeichnen. Eine Tradition, die AfD-Politiker André Poggenburg nutzte, um türkenfeindliche Äußerungen und Hetze zu verbreiten. Gegen den AfD-Parteichef von Sachsen-Anhalt wird nun in diesem Fall ermittelt. jup!-Redakteur Julius nahm das zum Anlass, um André Poggenburg einen ganz persönlichen Brief auf Instagram zu schreiben:

Lieber André! Bei deiner letzten, natürlich rein sarkastischen Rede zum Aschermittwoch, ist mir neben zahlreichen Verfassungsbrüchen aufgefallen, dass du meintest, den Begriff „Patriotismus“ allein für die AfD gepachtet zu haben, den Begriff jedoch, wie möglicherweise einige andere Begriffe auch, leider nicht zu verstehen scheinst.

Wer sein Land liebt und stolz darauf ist, der sollte auch auf all die Menschen stolz sein, die das Land zu dem gemacht haben, das du nun vorgibst lieben und beschützen zu wollen. Dazu gehören auch Menschen, die aus der Ferne hier hinkamen, sich integrierten und sich dazu entschieden, durch ihre Arbeit dein geliebtes Deutschland zu einem liebenswürdigen Ort zu machen. Von prächtiger deutscher Infrastruktur zu schwärmen, aber die Menschen, die diese errichteten, zu ächten, ist unpatriotisch.

Die Rheinbrücken lassen grüßen.

Zwischen 1961 und 1973 kamen ca. 867.000 Personen aus der Türkei nach Deutschland.

Viele von ihnen arbeiteten als Industriearbeiter und als Bauarbeiter bei wichtigen Infrastrukturprojekten. Beide aufstrebende Sektoren waren Teil des Deutschen Wirtschaftswunders.

Ja, die Qualität der Lebensverhältnisse von Ost und West sind immer noch unterschiedlich, aber ob man die bis heute rund zwei Billionen Euro für den Aufbau der Neuen Bundesländer ab der Wiedervereinigung ohne das Wirtschaftswachstum durch die Einwanderung von Gastarbeitern der Türkei hätte aufbringen können, ist strittig.

Gerade aus östlicher Perspektive sollte jener Aspekt dich zum Denken anregen. André, stell‘ dir doch mal vor, das nächstgelegene Gemeindehaus wurde von einem Haufen dieser „Kümmelhändler“ finanziert?

Lieber André, viele meiner deutsch-türkischen Mitbürger*innen, die du jetzt als „Kameltreiber“ bezeichnest und hinter den Bosporus zurück schicken magst, hatten und haben einen weitaus wichtigeren Beitrag zur Schaffung des Wohlstands in diesem Lande geleistet, als du meinst. „Wer Patriot ist, der liebt sein Land und dessen Volk.“

Das Deutschland, was rechtsorientierte Gruppierungen vorgeben zu lieben, ist jedoch nirgendwo auf diesem Planeten zu finden. Nationalstolz und Nationalliebe ohne Nation funktioniert nicht. Du scheint also ein Land zu lieben, das so nicht existiert. Und niemals existieren wird.

Dein Julius

Ihr wollt die genaue Rede sehen? Dann schaut hier!