"Es ist wie ein Tennisspiel..."

Gastbeitrag von Tamara Vogel

Am vergangenen Donnerstag, den 12. Oktober, feierte Spanien seinen Nationalfeiertag (Día de la Hispanidad / El Pilar) anlässlich der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus 1492. Doch die Feierlichkeiten wurden von den jüngsten Ereignissen der Katalonien-Krise überschattet.

  • Unabhängigkeitskämpfer, die in der Regionalregierung Kataloniens die Mehrheit haben, organisierten am 1. Oktober 2017 ein Referendum, das über die Abspaltung Kataloniens von Spanien entscheiden sollte.
  • Spanische Polizeieinheiten versuchten das Referendum gewaltsam zu verhindern, setzten Schlagstöcke und Gummigeschosse ein. Fast 900 Menschen wurden bei diesen Zusammenstößen verletzt.
  • Dennoch ließen sich mehr als 2 Millionen Katalanen (rund 40% der Bevölkerung) nicht von ihrer Stimmabgabe abhalten.
  • Fast 90 Prozent stimmten für die Unabhängigkeit Kataloniens.

Die 24-jährige Fotografin Iris Lambert aus der Kleinstadt Pineda de Mar in der Provinz Barcelona war hautnah bei den Protesten auf den Straßen in der autonomen Gemeinschaft Spaniens dabei und hielt mit ihrer Kamera beeindruckende und berührende Momente fest.

„Die Menschen auf den Straßen empfanden viele unterschiedliche Gefühle zur selben Zeit, darunter Schmerz, Dankbarkeit und Hoffnung. Doch sie manifestierten friedlich. Auf der anderen Seite habe ich Wut, Aggression und Hass seitens der spanischen Sicherheitskräfte gesehen, die das Geschehen aufhalten wollten. Als ich hörte, wie sie vor mir „Lasst uns handeln“ riefen, begann ich zu zittern.“(Iris Lambert)

„In den darauffolgenden Tagen sah ich, wie die Menschen einen Altar aus Blumen errichteten, um sich mit den Verletzten zu solidarisieren. Sie umarmten die Feuerwehrleute, die sie beschützten. Diese Bilder werde ich nie vergessen. Sie haben mich zutiefst bewegt.“ (Iris Lambert)

Iris findet, dass das Referendum notwendig sei. „Wenn ein Volk etwas entscheiden will, dann sollte es auch das Recht dazu haben.“ Das Ganze solle aber auf friedliche Art und Weise im Dialog geschehen. „Ich bin für die Unabhängigkeit Kataloniens, aufgrund der Geschichte, Wirtschaft, Kultur, aber vor allem wegen der Politik. Seit Jahrzehnten werden wir Katalanen unterdrückt: wie oft wurde uns schon verboten Katalanisch zu sprechen? Ich glaube, dass es in einem unabhängigen Katalonien mehr Freiheit gäbe.“

Eine andere Sichtweise vertritt die spanische Künstlerin Sandra Salvat. Sie stammt aus Barcelona und lebt seit 16 Jahren in Berlin. „Ich bin gegen die Unabhängigkeit Kataloniens. Ich fühle mich als Spanierin und Katalanin. Ich bin bilingual in Katalonien aufgewachsen und meine ganze Familie besteht aus Katalanen. Für die Geburt meiner beiden Töchter bin ich jeweils nach Barcelona geflogen. Ich wollte, dass meine Töchter „barcelonesas" werden und dass sie in der Nähe meiner Eltern und Freunde auf die Welt kommen würden. Katalonien hat seit dem Tod des Diktators Franco ein eigenes Parlament, einige Vertreter und man kann Katalanisch sowie Spanisch sprechen. Ich liebe mein multikulturelles Land! In der Geschichte Spaniens haben viele verschiedene Völker zusammengelebt und genau das hat ein gemischtes, reiches kulturelles Erbe hinterlassen. Der größte Nachteil, der durch die Unabhängigkeit Kataloniens hervorgerufen werden würde, wäre der Verlust der allgemeinen, multikulturellen, spanischen Identität.“

Die aktuelle Situation im Lande und die Teilung des Volkes lässt Sandra traurig werden. Die katalanische Künstlerin spürt deutlich, dass die Wunden der Diktatur noch lange nicht geheilt sind. „Ich glaube, dass es nicht zu einer Unabhängigkeit Kataloniens kommen wird. Aber die katalanischen Unabhängigkeitskämpfer werden auch weiterhin für ihr Ziel kämpfen, vor allem wenn der spanische Zentralstaat mit Aggression reagiert.“

Letztlich findet aber auch sie, genau wie Iris, dass ein positiver Dialog stattfinden muss. So erklärte der Ministerpräsident Kataloniens Carles Puigdemont am vergangenen Dienstag, dass sich das katalanische Volk in Folge des illegalen Referendums vom 1. Oktober das Recht der Unabhängigkeit errungen habe. Dennoch sei er als Mann des Dialogs zu Verhandlungen mit der Zentralregierung in Madrid bereit, sodass die Unabhängigkeitserklärung vorerst nicht in Kraft treten wird. Puigdemont hält jedoch weiterhin an seinem Ziel fest.

„Es ist wie ein Tennisspiel – der Ball geht hin und her, doch es gibt keinen Sieger. Auch wenn es noch keine finale Entscheidung gibt, so denke ich, dass sich die explosive Stimmung etwas entspannt hat. Wir müssen nun abwarten, was die Zukunft bringt.“ (Iris Lambert)

Tamara Vogel hat Politikwissenschaft in Frankfurt am Main studiert und lebt als freie Journalistin in Berlin. Sie lebte längere Zeit in Südamerika und berichtet schwerpunktmäßig über Auslandspolitik. Weitere Informationen gibt es auf ihrer Webseite: www.tamistrails.com.