Wählen ab 16 ist bei der Senatswahl in Berlin dringend notwendig

am 13.12.2020

Im Berliner Senat wird über Bildungspolitik, ein für Jugendliche sehr relevantes Thema, entschieden. Gleichzeitig dürfen Minderjährige in Berlin nicht wählen gehen. Mit dem Wahlrecht ab 16, würden Jugendliche ein deutlich größeres Mitspracherecht bekommen (1). In einigen Bundesländern wie Brandenburg, dürfen Jugendliche schon auf Länderebene wählen. Es ist höchste Zeit, dass auch Berlin jetzt nachzieht.

Mit 16 Jahren haben die meisten Berliner Jugendlichen bereits einen MSA Schulabschluss in der Tasche und können eigenständig entscheiden, was sie mit ihrem Leben anfangen möchten. Ob Abitur, Ausbildung, Studium oder Freiwilligendienst, es besteht freie Wahl. Außerdem darf man Mitglied einer Partei werden und ist strafmündig. In diesem Alter darf man in Berlin allerdings nicht mitentscheiden, wer die nächsten fünf Jahre im Senat sitzt, sprich: man darf nicht wählen gehen. Das erscheint paradox, zumal im benachbarten Bundesland Brandenburg das Wählen ab 16 auf Landesebene erlaubt ist. Sind 16-Jährige Brandenburger*innen etwa reifer als gleichaltrige Berliner*innen? Ich wage es zu bezweifeln.

Eine Hand wirft einen Wahlzettel in eine Box

Themen, über die im Senat entschieden werden sind wichtig für Jugendliche

Zwar ist bei Kommunalwahlen in Berlin das Wählen ab 16 erlaubt, jedoch werden auch auf Landesebene über relevante Themen für junge Menschen entschieden. Auf Landesebene werden, aufgrund von Deutschlands föderaler Struktur, über wichtige Themen wie Kultur- und Bildungspolitik entschieden. Themen, die Jugendliche unmittelbar betreffen. Bildung ist ein Thema, das quasi alle Minderjährigen explizit anspricht. Ob Gesamtschule, Betrieb, Gymnasium oder Universität, der Berliner Senat entscheidet darüber. Wie viele Jahre sollen Berliner Schüler*innen in die Grundschule gehen? Welche Themen werden im Lehrplan priorisiert? Wie viele Jahre dauert die gymnasiale Oberstufe? All diese Entscheidungen werden im Berliner Senat gefällt. Jugendliche, die damit leben müssen, können zumeist nicht wählen, wem sie diese für sie sehr wichtigen Entscheidungen in die Hände legen. Obwohl Jugendliche am längsten mit den Beschlüssen leben müssen, zählt ihre Stimme bei Wahlen nicht. Und Wahlen, das wird Jugendlichen in der Schule beigebracht, sind das Fundament einer jeden Demokratie. Wenn man Jugendlichen demokratische Strukturen näher bringen möchte, dann sollte man sie wählen lassen.

Was macht politische Reife aus?

Als Argument für das Verbot in Berlin, wird oftmals die „mangelnde Reife“ der Minderjährigen aufgeführt (2). Zunächst sollte man sich die Frage stellen, wie die nötige Reife zum Wählen überhaupt definiert werden kann. Hängt diese vom Alter ab? Erreicht man mit 18 Jahren plötzlich eine politische Erleuchtung? Verfügen denn wirklich alle wahlberechtigten Erwachsenen über die nötige Reife?

Die zum Wählen benötigte Reife hat nichts mit dem Alter zu tun. Einige Menschen besitzen diese meiner Meinung nach bereits in der Grundschule, während es anderen noch während der Rente an politischem Interesse mangelt. In jeder Generation gibt es Beispiele von uninformierten Menschen, die sich keine politische Meinung bilden können oder wollen. Diese bilden meiner Meinung nach jedoch eine Ausnahme. Jetzt könnte man natürlich fragen: Warum sollten sich Jugendlich überhaupt für Politik interessieren, wenn sie nicht wählen dürfen? Wenn man betrachtet, welchen Anklang Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder „Black Lives Matter“ auch bei 16- bis 17-Jährigen verzeichnen (3), dann kann von mangelndem Interesse nicht die Rede sein. Dass sich viele Jugendliche politisch engagieren, obwohl ihnen das Wahlrecht in Berlin verwehrt wird, zeigt deutlich, dass der Großteil die nötige Reife für das Wählen längst erreicht hat. Nur weil bei 45-Jährigen ein Teil politisch uninteressiert ist, würde niemand auf die Idee kommen ihnen das Wahlrecht zu verwehren. Bei 16- und 17-Jährigen wird aber genau das getan.

 

Eine Gruppe Jugendlicher bei einer Fridays for Future Demonstration hält Schilder hoch

Extremes Wahlverhalten bei Minderjährigen ist nicht belegt

Ein weiterer häufig genannter Einwand (4), der gegen das Wahlrecht Jugendlicher bei der Senatswahl spricht, ist das angeblich extremere Wahlverhalten in jüngerem Alter. Dem ist entgegenzusetzen, dass Minderjährige meist noch zuhause wohnen und eine Bildungseinrichtung besuchen. Durch gute politische Bildung lässt sich extremen Positionen außerdem entgegenwirken. Eine Studie des FU Professors Thorsten Faas untersuchte die Landtagswahl 2019 in Brandenburg (5). Laut dieser Studie gibt es keine Tendenz Jugendlicher eher extreme Parteien zu wählen. Die Wahlbeteiligung Minderjähriger in Brandenburg war sogar höher, als die der 18- bis 20-Jährigen.

Mehr Mitbestimmung für Jugendliche

Das Wahlrecht ab 16 wäre ein großer Vertrauensbeweis seitens der Politik an Jugendliche. Damit wird das Gefühl vermittelt mitbestimmen zu dürfen und das könnte wiederum das Vertrauen in demokratische Institutionen stärken.

Vor 50 Jahren wurde das Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt. Jetzt ist es in Berlin an der Zeit den nächsten Schritt zu wagen und Jugendlichen Vertrauen zu schenken. Wählen ab 16 ist dringend notwendig!