Eine Welt außerhalb der Schule

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am 08.03.2018

Wir kennen es alle. Zu einer Zeit, die gegen den Schlafrhythmus kämpft, klingelt der Wecker. Wir rollen uns aus dem Bett und torkeln zombiemäßig zum Frühstück. Nachdem man durch Kaffee den tranceartigen Zustand durchbrochen hat, kommt auch schon der Stress mit anschließendem Sprint zu Bus oder Bahn. Nach der Schule, in der man bei langweiligen Fächern sowieso nur Bullshit-Bingo oder Tic Tac Toe gespielt hat, chillt man oft nur noch mit Freunden und schaut Netflix.

Und obwohl auf die Frage: „Wieder was Neues gelernt?“ oftmals verneint wird, sprechen alle davon, dass die Schule so unglaublich wichtig für unsere Zukunft ist. Klar, Bildung ist wichtig, aber Schule sollte kein Fulltime-Job werden. Und was wäre, wenn man direkt jetzt die Zukunft, nicht nur von einem selbst, sondern auch von anderen mitgestalten und verbessern könnte? Am besten wäre es doch, wenn man nicht die Zukunft beeinflussen will, sondern gleich bei der Gegenwart ansetzt. Anderen helfen, neues entdecken, Projekte planen und die Reaktion direkt mitbekommen. Das könnt ihr tun. Das Stichwort lautet Ehrenamt. Es gibt so viele Bereiche in denen ihr tätig werden könnt und die Resultate sind für alle greifbar. Das bringt nicht nur euch unglaublich viel, sondern vor allem engagiert ihr euch für euer Umfeld.

Leider ist neben Schule, Lernen und Hausaufgaben nicht mehr viel Zeit-Budget übrig. Das soll geändert werden. Weniger Schule für alle! Im Rahmen der „Mission gutes Ehrenamt“ fordert daher der Landesjugendring Berlin die „35-Stunden-Woche“ für Schüler*innen. Ihr Ziel: Junge Ehrenamtliche in Berlin brauchen mehr Zeit und Anerkennung! Sie wenden sich hierbei an die Berliner Politik und fordern, dass innerhalb dieser Zeitspanne auch Hausaufgaben, Klassenarbeiten und Präsentationen vorzubereiten sind. Am Samstag, den 10.03.2018 wird es um 12:30 Uhr eine veranschaulichende Präsentation am Alexanderplatz geben, welche die Probleme und ihre Lösungsansätze zeigt. Es wäre schön, wenn ihr mal bei der Veranstaltung vorbeischaut. Wir sollten auf jeden Fall wissen was abgeht, denn es betrifft am meisten uns.

Wann?: Samstag, 10. März 2018 um 12:30 Uhr Wo?: Alexanderplatz, zwischen Fernsehturm und Rathaus Passagen

Wir sprachen mit David Spitzl vom Landesjugendring Berlin, dem Zusammenschluss der Jugendverbände im Land Berlin, über die Bedeutung der Mission. Warum das so wichtig ist und wie das genau aussehen soll, erfahrt ihr im Interview unten.

jup!: Warum ist es so wichtig, dass sich junge Menschen ehrenamtlich engagieren?

David Spitzl: Ehrenamt macht glücklich! Man wächst an neuen Aufgaben, hat oft mit ganz anderen Menschen zu tun als zum Beispiel in der Schule und man leistet freiwillig was für die Gesellschaft. Man kann außerdem selbst bestimmen, für was man sich engagieren möchte, sich für die eigenen Interessen einsetzen und sie mit anderen teilen, zum Beispiel in einem Jugendverband. Ohne junge Ehrenamtliche könnten viele Jugendverbände ihre Angebote wie Ferienfreizeiten, Musikworkshops für junge Geflüchtete oder Trainings für zum Beispiel Argumentieren gegen rechts auch gar nicht anbieten. Auch darum ist es so wichtig, dass sich junge Menschen ehrenamtlich engagieren. Dafür brauchen sie dann aber auch mehr Zeit neben Schule, Ausbildung oder Studium. Und dafür setzen wir uns ein.

Stellen wir uns vor, die 35h-Woche in der Schule wird umgesetzt. Muss man dafür dann noch ein paar Jahre länger zur Schule gehen bzw. leidet darunter nicht die Bildung?

Ich glaube nicht, dass die Bildung darunter leidet. Es ist doch eher umgekehrt: Viele Schüler*innen haben einen sehr hohen Leistungsdruck an der Schule, der Schulalltag ist stressig. Ich frage mich eher, ob das wirklich ein gutes Umfeld für Bildung ist. Ab 13 Jahren arbeiten die Jugendlichen fast 44 Wochenstunden in oder für die Schule, in den Klassen 9 bis 13 wird sogar die 45-Stunden-Woche im Schnitt noch übertroffen. Das hat UNICEF vor ein paar Jahren herausgefunden. Die 35-h-Woche bedeutet ja nicht, dass Schulstunden wegfallen müssen. Man muss aber dafür sorgen, dass zum Beispiel viel weniger Zeit für Hausaufgaben drauf geht und es, auch in Ganztagsschulen, wenigstens einen freien Nachmittag für alle gibt.

Unterrichtsvorbereitung in der Schule wird schon in Ganztagsschulen angeboten. Wäre dies eine Alternative, obwohl sie fast den ganzen Tag in Anspruch nimmt oder müsste ein ganz neues Schulkonzept organisiert werden?

Ich halte eine betreute Hausaufgabenhilfe in der Ganztagsschule an sich für einen guten Ansatz. Hier kann man dafür sorgen, dass die Schüler*innen nicht zu viel Zeit für Hausaufgaben verwenden. Lehrer*innen sollten eher sagen: Probiert eine halbe Stunde diese Aufgabe zu lösen. Wenn ihr sie nicht schafft, erklärt in der nächsten Stunde, woran es gelegen hat. Ich glaube nicht, dass man ein ganz neues Schulkonzept braucht. Aber man muss genau schauen, an welchen Stellen man weniger Zeit von jungen Menschen beansprucht, damit sie mehr Zeit für Hobbies, Chillen und auch für Ehrenamt haben.

Wie will der LJR seine Forderungen in der Politik bzw. in den Schulen durchsetzen?

Bei der 35-Stunden-Woche wollen wir ganz konkret, dass die Politik das Schulgesetz anpasst, damit Schüler*innen mehr Freizeit haben. Dafür stehen wir viel in Kontakt mit der Politik, mit der Verwaltung und anderen Organisationen, die ähnliche Ziele haben. Wir sind auch in vielen Arbeitskreisen und Gremien in Berlin aktiv und versuchen dort, unsere Forderungen einzubringen. Die Forderung nach der 35-Stunden-Schulwoche ist ja nur eine von sieben Forderungen, die wir derzeit mit der Kampagne „EA-TEAM: Mission gutes Ehrenamt“ an die Politik haben.

Welche Aktion plant der LJR am 10. März in Berlin? Wie kann man dabei sein?

Das verraten wir natürlich noch nicht ganz genau. Nur so viel: Wir haben einen vier Meter langen übervollen Stundenplan dabei. Wer wissen will, was damit passiert, kommt am besten um 12:30 Uhr zum Platz zwischen Fernsehturm und Rathaus Passagen, in der Nähe vom Cubix Kino und unterstützt die Berliner Jugendverbände bei ihrer Forderung!

Wenn die Initiative erfolgreich ist - wie lange dauert es, bis diese Neuerung in Kraft gesetzt wird? Kann man das abschätzen?

Das ist natürlich sehr schwer abzuschätzen. Es ist oft ein langer Weg, bis sich in der Politik etwas tut. Aber wir bleiben natürlich dran und werden nicht müde, unsere unterschiedlichen Forderungen an die Politik voranzubringen.

Vielen Dank für das Interview!