Wir wollen eine Stimme für den Freigeist sein

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am 21.03.2018

Musik schaffen, die nicht nur für eine Zielgruppe bestimmt ist, sondern die jeder von 3 bis 93 hören kann? „The Trouble Notes“ reisen seit drei Jahren durch die Welt und verarbeiten ihre Eindrücke in charakteristischer Akustik-Musik. Die drei Jungs der Band, Bennet Cerven (Violinist), Florian Eisenschmidt (Gitarrist) und Oliver Maguire (Percussionist) nutzen dabei ausschließlich Instrumente - auf Text wird komplett verzichtet. Auf ihrer Deutschland-Tour im Februar und März haben sie auch in Berlin Halt gemacht und konnten im Festsaal Kreuzberg die Zuschauer begeistern. Davor habe ich sie noch zum Interview gebeten, bei dem sie mir erzählten, wie es ist, überall zu Hause zu sein.

 

Die Lieder eurer EPs „Soundtrack from the Street“ und „Grand Masquerade“ entstanden durch Eindrücke, die ihr auf Reisen gesammelt habt. Auch auf eurem neuen Album „Lose Your Ties“ nehmt ihr den Stil wieder auf. Bei vielen dieser Lieder ist ein klarer Latin-Style zu erkennen. Sind diese Städte diejenigen, die euch am meisten beeindruckt und gefallen haben?

Es stimmt, dass lateinamerikanische Klänge oft in unserer Musik zu hören sind. Unsere Erfahrungen aus Venezuela sind zu hören in „Barquisimeto“, die aus Barcelona in „Catalonia Calling“. Man kann aber schwer sagen, dass uns diese Eindrücke am meisten beeinflussen. Vor allem in den letzten Jahren nehmen wir viel Inspiration aus Paris, Straßburg, Marseille, Florence und Novi Sad. Mit jeder Erfahrung eines Ortes, an dem wir waren, verändert sich unsere Musik ein wenig. Deswegen kann man sagen, dass das Bereisen der vielen verschiedenen Kulturen uns ausmacht.

Wie „schreibt“ ihr eure Lieder? Gibt es da ein bestimmtes Vorgehen?

Unsere Musik dient dazu, die Zuhörer mit auf eine Reise zu nehmen und deshalb entstehen die Songs entweder während wir noch reisen, oder nach einem bestimmten Erlebnis auf der Reise. Ein bestimmtes Vorgehen haben wir dabei nicht, aber oft beginnt es mit einer Melodie, die einem von uns in den Kopf kommt, während wir unterwegs sind. Danach rekonstruieren wir den Stil und den Rhythmus, den wir in der einheimischen Musik verschiedener sozialen Gruppen gehört haben.

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Eure Musik beinhaltet keinen Text. In den (deutschen) Charts sind aber nur Songs vorhanden, bei denen Text mehr oder weniger das zentrale Element eines Liedes ist. Welche Vor- und Nachteile seht ihr bei euch?

Wir spielen live nur Violine, Gitarre und Percussions. Der Vorteil an diesem Musikstil ist, dass wir damit einfacher reisen können. Wir versuchen, durch mehr Kreativität den Leuten ein anderes Gefühl zu geben, als die Songs aus den Charts es tun, eben auch weil die Zuhörer an den Text so gewöhnt sind. Auf „Lose Your Ties“ haben wir die Band tatsächlich ein wenig erweitert und Gast-Musiker eingeladen, um die kulturellen Nuancen in jedem Lied zu erweitern. Heraus kommt eine Annäherung an den derzeitigen Stand der Produktion.

Wie schwer ist es für euch, die Message eurer Lieder ohne Worte zu vermitteln?

Zum einen erfordert es eine Art Einleitung, um den Hintergrund und die Aussage des Songs zu erklären. Wir glauben aber, dass Musik eine internationale Sprache sein kann, in der Emotionen dem Zuhörer auch ohne Worte mitgeteilt werden können. Unser Ziel ist es, dem Zuhörer einen Anhaltspunkt zu geben, ihm aber den Freiraum zu lassen, sich die Geschichte des Songs selbst zu gestalten.

Denkt ihr denn, jeder wird in der Lage sein, zu verstehen, was ihr meint?

Ehrlich gesagt glauben wir daran, dass instrumentale Musik im Moment wieder in Mode kommt. Wenn du in Berlin bist, oder dort lebst, hörst du verschiedene Formen der elektronischen Musik. Auch Jazz-Musik lebt wieder auf. Wenn wir in Amerika sind, sehen wir oft Gruppen, die die Jazz-Rhythmik mit neuen Tanzschritten vereint.

Als wir mit der Musik angefangen haben wurden wir oft gefragt, warum wir eigentlich aufgehört haben, Texte für die Songs zu schreiben. Aber mit der Zeit haben wir das auch als Vorteil gesehen. Denn während Texte zwar eine bessere Verbindung zwischen Künstler und Zuhörern schaffen, könnten die Hörer durch die Sprache oder durch eine vorgegebene Interpretation auch gestört werden. Wir wollen diese Vorstellung für jeden frei halten und damit Leute von 3 bis 93 erreichen.

In welches Genre würdet ihr eure Musik einordnen?

Das ist eine schwere Frage, weil unsere Absicht ist, verschiedene Genres, aber auch Kulturen zu vereinen. Deswegen würden wir unsere Musik als „Musik zum Reisen“ beschreiben. Wenn wir aber ein spezielles Genre wählen müssten, wäre das in die Richtung „Indie Fusion“.

Ihr alle habt verschiedene Heimatstädte, die teilweise sogar auf anderen Kontinenten liegen, und verbringt zusammen sehr viel Zeit auf Reisen. Welchen Ort würdet ihr euer „Zuhause“ nennen und wie schafft ihr es, Eure Traditionen aus der Heimat zu vereinen?

Im Moment „leben“ wir in Berlin, sind aber gute 10 Monate im Jahr unterwegs. Die Kultur, in der wir leben, ist eine Mischung aus vielen. Wir haben die Möglichkeit neue Dinge aufzugreifen und sie dann bei uns zu integrieren. Wir haben sogar schon angefangen, einzelne Satzteile verschiedener Sprachen in unsere alltägliche Kommunikation einzubinden. Man könnte sagen, wir leben unsere Message, Kulturen zusammenzubringen und somit mehr Verständnis für diese zu erlangen. Im Endeffekt sind wir also da zu Hause, wo wir gerade sind.

Was würdet ihr im Moment machen, wenn ihr euch nicht getroffen hättet und jetzt nicht von der Musik leben würdet?

Wir alle waren an verschiedenen Punkten unseres Lebens bevor wir diese verrückte Reise angefangen haben. Ich (Bennet) habe in der Investmentbranche an der Wall Street gearbeitet, bevor ich bei „The Trouble Notes“ angefangen habe. Davor habe ich bei den Vereinten Nationen gearbeitet und war schon immer mehr am Reisen und der Arbeit mit anderen Menschen interessiert, als an den finanziellen Angelegenheiten. Deshalb denke ich, ich würde im Sozialen Bereich als Hilfskraft arbeiten. Florian würde noch Bands in seinem Studio (Flat Cat Studios Berlin) aufnehmen.

Wo seht ihr die Band in zehn Jahren?

Unser Vorhaben ist, weiter Reisen zu können, neue Songs zu schreiben und weiter neue Leute zu treffen und mit ihnen zu arbeiten. Uns geht es darum, uns inspirieren zu lassen, und andere zu inspirieren. Jedes Jahr spielen wir größere Konzerte vor mehr und mehr Menschen, also hoffen wir in den nächsten Jahren daran anknüpfen zu können. Wichtiger ist aber, dass wir hoffen, eine Stimme für den Freigeist darstellen zu können und Leute dazu zu bringen, mehr Verständnis für „das Andere“ zu haben. Die Politik der verschiedenen Staaten scheint sich immer mehr miteinander zu verbinden. Deswegen haben die Bürger Angst, dass ihre kulturelle Identität damit verloren geht und wollen sie schützen. Daraus entstehen Missverständnisse und Vorurteile. Wir wollen ein Teil dieser Bewegung sein und genau diese Missverständnisse und Vorurteile aus dem Weg schaffen, damit die Welten nicht auseinander brechen. Wenn man an anderen Kulturen teilnimmt oder ihnen abgehört, kann man eine wechselseitige Beziehung mit denen führen, die uns fremd vorkommen.