71. Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

am 28.01.2016

„Bei Zwangsarbeitern denkt man an ausgewachsene Männer, nicht an unterentwickelte Mädchen.“

Das Zitat von Prof. Dr. Ruth Klüger bringt auf emotionale Art zum Ausdruck, was auch ich bei ihrem Zeitzeugenbericht dachte. Frau Klüger nahm mich auf ihre Erinnerungszeitreise mit und so durfte ich heute an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus teilnehmen.

Anne, Lisa und ich machten uns heute für jup! Berlin auf den Weg zum Bundestag. Nachdem wir durch den Check waren konnten wir den Sicherheitsbereich passieren. Wir bekamen einen Presseausweis und waren damit berechtigt, an der Veranstaltung im Bundestag teilzunehmen und unsere Regierung sowie die Abgeordneten live zu erleben.

Der Gedenktag startete mit der Begrüßungsansprache durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert. Ein Themenschwerpunkt der diesjährigen Gedenkfeierlichkeiten war NS-Zwangsarbeit. Bewegend für mich, da ja Zwangsarbeit für jeden in dieser Zeit Lebenden sichtbar gewesen sein muss. Nach Lammert gab es „… allein in Berlin… 3000 Sammelunterkünfte für eine halbe Million Zwangsarbeiter.“

Die Gedenkrede und damit den Hauptteil der Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus hielt Prof. Dr. Ruth Klüger, die 1931 in Wien geboren wurde und 1942 gemeinsam mit ihrer Mutter in die Konzentrationslager Theresienstadt, später nach Ausschwitz-Birkenau und in das Arbeitslager Christianstadt deportiert wurde. Auf einem „Todesmarsch“ gelang ihr zusammen mit der Mutter die Flucht. Äußerst bewegend schilderte Frau Klüger ihren Lebensweg. So berichtete sie z. B. von der Aufnahme im Konzentrationslager Theresienstadt, bei der in der Reihe hinter ihr eine Frau stand, die ihr schnell ins Ohr flüsterte, dass sie bei ihrer Altersangabe schummeln und sich als 15-Jährige ausgeben solle. Vermutlich führte dieser Tipp zur Verlegung als Zwangsarbeiterin nach Ausschwitz und dann nach Christianstadt, was sie letztlich vor der Vergasung rettete. Auf ihrem jahrelangen Leidensweg war Hunger ein ständiger Wegbegleiter. „Es gab so wenig zu essen, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte, als an Nahrung. (….) Manchmal sah ich mich von außen und schämte mich“, erzählte sie.

Gebannt hörte ich ihrer persönlichen Verfolgungsgeschichte zu und spürte eindrucksvoll etwas von der Kraft und dem Leiden der Verfolgten jener Zeit. Besonders bewegt haben mich ihre Schlussworte, die den Bogen in unsere heutige Zeit spannten. Das Deutschland von heute gewinne den Beifall der Welt dank offener Grenzen und der Großzügigkeit, mit der unser Land syrische Flüchtlinge aufnahm und aufnimmt. Das sei auch der Hauptgrund gewesen, warum Frau Prof. Dr. Ruth Klüger der Einladung gefolgt sei und über die Vergangenheit und das geschehene Unrecht für mich sehr bewegend und beeindruckend im Bundestag berichtete. Die Gedenkstunde im Plenarsaal endete mit dem Lied „Moorsoldaten“ – vorgetragen vom RIAS Kammerchor.

Und mein kurzer Bericht für unser jup!-Portal endet mit einem Zitat von Norbert Lammert:

„Wenn wir Gedenken ernst nehmen, müssen wir es jeder Generation zugestehen und zumuten, eigene Fragen zu stellen.“

Es ist also jetzt an uns, mitzumachen, Fragen zu stellen, vielleicht auch beantworten zu können, uns zu erinnern und uns im Jetzt den Problemen zu stellen und die Augen zu öffnen.

Ein Beitrag von jup!-Redakteur Janik Hoelzer