Die Rosa-Hellblau-Falle im Alltag

von
am 20.07.2017

Wenn mich ein 4-jähriger Junge fragt, ob er den pinken Schoko-Hasen haben darf, soll ich ihm dann sagen: „Nein! Da steht 'für Mädchen' drauf! Das darfst du nicht!“?

 

Sexismus ist auch im Jahr 2017 noch ein Thema. Zwar sind wir vor dem Recht alle gleich und auch Frauen dürfen inzwischen ihren Stimmzettel in die Wahlurne werfen und selbst entscheiden, ob sie arbeiten gehen möchten, jedoch in der Bezahlung haben Männer, unabhängig von der verrichteten Arbeit, oft immer noch einen Vorteil. Doch nicht nur bei den Gehältern wird zwischen Mann und Frau unterschieden. Ziemlich präsent - und zwar schon bei den Kleinsten - ist das Gendermarketing. Der geschlechtliche Unterschied wird von der Industrie als Grund zur Herstellung von Produkten „für Jungs“ und „für Mädchen“ verwendet. Gekennzeichnet sind diese spezifischen Differenzen durch Farben und Bezeichnungen, welche durch vermeintliche Interessen und Eigenschaften definiert sind. Blaues Duschgel mit der Aufschrift „Für Fußballer“, pinke Shampoo-Flaschen mit der Aufschrift „für Prinzessinnen“-und es glitzert sogar! Die Zielgruppe ist dabei das jüngere Alter.

Pink für Mädchen, Blau für Jungs?

Für manche mag das jetzt total normal klingen. Dabei ist es mit die absurdeste Klassifizierung, die es überhaupt gibt. Warum müssen Jungs Fußball mögen? Warum wird Mädchen die Farbe Pink zugeschrieben? Schon gewusst, dass die noch vor 100 Jahren als Ausdruck der Stärke von Männern verwendet wurde. Heute denkt man bei Rosa und Pink jedoch an sexy sein oder Verniedlichungen: „Pink ist eine Mädchenfarbe!“ Nein! Nein, nein, nein! Das Schlimme daran ist, meiner Meinung nach, dass es keiner merkt. Es ist ein normaler Teil unseres Konsumverhaltens. Für den kleinen Bruder wird bevorzugter Weise „Cars“-Schokolade gekauft, ich selber renne durch die ganze Stadt und will dieses Duschzeug mit dem Einhorn drauf. Ich muss leider zugeben – es funktioniert.

Doch ich stelle mir die Frage: Was ist mit Kindern, die das nicht wollen? Wenn mich ein 4-jähriger Junge fragt, ob er den pinken Schoko-Osterhasen oder -Weihnachtsmann haben darf, soll ich ihm dann sagen: „Nein! Da steht 'für Mädchen' drauf! Das darfst du nicht“. Kein Wunder, dass Jungs, die Ballett tanzen, oft erst schief angeschaut werden, wenn selbst ein normaler Gang in den Supermarkt eine klare Grenze zwischen weiblich und männlich zieht. Wer diese Grenze überschreitet, gilt als Außenseiter. Wo bleibt das Selbstvertrauen, der Drang, man selbst zu sein? Ich würde ihm den Osterhasen kaufen. Ohne Wenn und Aber kaufe ich ihm auch 1000 Stück davon. Wenn er Pink mag, dann soll er Pink haben. Und Kleider tragen, sich die Haare lang wachsen lassen. Und dann bekommt Pink wieder die Bedeutung von Stärke. Die Stärke, sich gegen gesellschaftlichen Zwang durchzusetzen.

Tatsächlich ist das in gewisser Hinsicht Zwang. Und Teil unserer anthropologischen Entwicklung in kultureller Hinsicht. Wir werden durch diese Einflüsse geprägt und nehmen Eigenschaften, welche auf uns durch Erziehung und Umwelt wirken, auf. Wir sind quasi, was wir wahrnehmen. Folglich passen wir uns an die Gegebenheiten an und konsumieren die Produkte des Gendermarketings. Die Nachfrage wird größer, das Angebot auch. Andererseits gibt es auch noch einige Marktlücken. Liebe Industrie, was ist denn jetzt mit Transgendern? Oder, viel besser, was ist mit Menschen, die einfach nicht in Klischees passen und aus weitaus mehr bestehen als stereotypischen Farben und Eigenschaften? Klar, das biologische Geschlecht ist ein erster Anhaltspunkt, der Rest ist durch die Faktoren der Erziehung und andere Gegebenheiten wie der Ort des Aufwachsens etc. gegeben. Doch warum lässt man Kinder nicht schon so früh wie möglich selbst entscheiden, was sie wollen und was nicht? Nein, man drängt sie, ein Klischee des Geschlechtes zu bedienen. (An dieser Stelle Shoutout an Tim Wiese, der als jetziger Wrestler in seiner Zeit als Torhüter bei Werder Bremen oft nur pinke Trikots getragen hat).

Der goldene Zaunpfahl“ – der Negativpreis für Gendermarketing

Anfang März dieses Jahres wurde der Negativpreis „Der goldene Zaunpfahl“ vergeben, um die Strategie des Marketings weiter zu verbreiten und zum Umdenken anzuregen. Jeder konnte Werbeplakate, Screenshots von Werbungen und Slogans aber auch Fotos von Produkten im Laden fotografieren und einsenden. Die Jury, bestehend aus Journalist*innen, Autor*innen usw. wählte anschließend aus einer Auswahl aller Einsendungen die „Geschichten für Jungen zum Lesenlernen“ und „Geschichten für Mädchen zum Lesenlernen“ des Klett-Verlages als Gewinner aus. Zur weiteren Auswahl standen zum Beispiel rosafarbene und blaue Globusse. Mich hat gewundert, warum die geschlechterspezifischen Gurkengläser und Würstchenverpackungen nicht unter den Gewinnern waren. Wobei, Lernbücher? Ernsthaft? Haben wir mit der schulischen Trennung von Jungen und Mädchen nicht schon vor ungefähr 50 Jahren abgeschlossen? Ist die Gegenwart so ereignislos, dass die Schulordnung aus dem letzten Jahrhundert zur Verkaufsstrategie für junge Menschen eingesetzt wird. Ziemlich ironisch, bedenkt man, dass viele Kommentare zu diesem Preis ähnlich wie „Habt ihr keine echten Probleme?“ lauteten. Naja, man verdreht halt gerne die Tatsachen so, dass es uns (wirtschaftlich) am besten geht.

Sexismus ist jedoch heute (!) ein echtes Problem. Er bildet Grenzen innerhalb unserer Gesellschaft, die einer aufgeklärten Gesellschaft im Wege stehen. Die ein gleichberechtigtes Miteinander unmöglich machen. Und vor allem, die uns im Einzelnen minderwertig fühlen lassen. Ob jetzt der Mann, die Frau oder etwas dazwischen das dominierende Geschlecht ist, ist doch im Endeffekt egal. Wichtig ist, dass vorkommende Dominanz nicht die Entwicklung anderer Individuen beeinträchtigt oder deren Persönlichkeit. Das gesellschaftlich bedingte Zuordnen von Farben, Eigenschaften und Interessen ist jedoch einschränkend und unwürdig gegenüber dem einzelnen Individuum. Jeder ist einzigartig und kann nicht durch die Farbe Blau oder Rosa definiert werden. Nur merken wir das anscheinend nicht. In diesem Fall kann man wohl simpel von unaufmerksam und leicht zu manipulieren reden. Eine Eigenschaft, die der Industrie nur zu Gute kommt und das Gendermarketing nur weiter unterstützt. WIR unterstützen es. Von daher kann man nur danke an diejenigen sagen, die uns mit der Vergabe des „Goldenen Zaunpfahls“ auf diese Grenzen aufmerksam machen und zeigen, dass wir mehr sind und dass es gut ist, mehr zu sein. Dass man sich nicht selbst in diese eine Schublade stecken lassen sollte. Von daher: Ein Osterhase oder Weihnachtsmann für alle!

Weitere Infos zum Goldenen Zaunpfahl findest du hier!