Vom Bogenmacher zum Fotografen

am 08.05.2017

Juergen Teller, einer der international gefragtesten Fotografen der Gegenwart, begann seine berufliche Laufbahn, ebenso wie seine Eltern, mit einer Lehre als Bogenmacher für Streichinstrumente. Aufgrund einer Allergie wechselte er jedoch bald zum Studium der Fotografie nach München, bevor er mit 22 Jahren nach London zog, wo er seitdem lebt und als freier Künstler arbeitet.

Teller erhielt zunächst Aufträge in der Musikbranche: Er portraitierte Musiker, fotografierte für Plattencover und begann gegen Ende der 80er Jahre sogar für bekannte Modemagazine wie die einflussreiche britische Modezeitschrift i-D oder internationale Ausgaben der Vogue zu arbeiten.

Sein eigentlicher Durchbruch gelang ihm 1991, als er die US-amerikanische Band Nirvana auf ihrer Nevermind-Tour begleitete, deren Album "Nevermind" heute wohlgemerkt zu den wichtigsten Alben der Musikgeschichte gezählt wird, da es sich weltweit über 30 Millionen Mal verkaufte. Ebenso wie er Frontmann Kurt Cobain damals in sehr persönlichen und authentischen Momenten ablichtete, gelang es ihm auch bei weiteren großen Namen wie Kate Moss, Kanye West und Kim Kardashian, die wir sonst ausschließlich von perfekt inszenierten Bildern kennen.

„Was mich letztlich einzig und allein interessiert, ist die Interaktion zwischen zwei Menschen. Einer von denen bin ich, der Fotograf. Und wenn mich diese Begegnungen berühren, dann ist es gut.“ - Juergen Teller

Vielfalt voller Eigenart

Juergen Teller ist kein Fotograf für idealisierte Hochglanzstrecken. Nein, er legt den Fokus seiner Arbeiten auf Authentizität, die Nähe zu den und die Menschlichkeit der fotografierten Personen. Tellers Arbeiten zeigen sein Gespür für Situationen, Menschen und Orte und sind dabei selten technisch perfekt, was dem einen oder anderen Betrachter sicher unangenehm auffällt. Teller setzt sich jedoch bewusst von den während des Studiums gelehrten Techniken ab und entwickelt seine eigene künstlerische Ausdrucksweise.

Zahlreiche seiner Fotografien zeigen seinen unverkennbaren Humor, indem er beispielsweise seiner Mutter ganze Serien widmet, die sie zeigen, wie sie, in meinen Augen fast kindlich, durch den Wald tollt. Teller selbst kann man auch auf vielen seiner Fotografien in teils urkomischen Situationen zu Gesicht bekommen. Zwischen den sonst so unnahbaren Prominenten hängen Bilder, die vermutlich von Assistenten oder anderen Begleitern geschossen wurden und ihn mal bei der Arbeit oder in unbeobachteten Momenten zeigen – all diese Bilder sind selbstverständlich Teil einer gekonnten Selbstinszenierung, machen ihn uns als Menschen dennoch wesentlich zugänglicher.

Seine Tendenz zur merkwürdigen Selbstinszenierung, zur ungeschönten Wirklichkeit und offenbar unerschöpflich kreativen Fotografie zeichnet sein Werk aus, macht es spannend und wahnsinnig vielseitig.

Ohne jeden Zweifel ist seine Bildsprache einzigartig und nicht grundlos ikonisch für zahlreiche junge Fotografen.

Teller ist sehenswert

Ich lege also jedem von euch wärmstens ans Herz, sich selbst ein Bild von Juergen Teller zu machen, wozu ihr bis zum 3. Juli 2017 im Martin-Gropius-Bau in Berlin-Kreuzberg noch die Möglichkeit habt.

Diese Ausstellung gibt einen breit gefächerten Einblick in die Vielfalt dieses Künstlers und hält für jeden etwas bereit, der diese Räume mit Neugier und Toleranz betritt. Zu bemerkenswerten Fotostrecken, bedruckten Tellern – ja, ein bewusstes Wortspiel seinerseits –, tropischen Soundinstallationen und einem Fuchsvideo gesellen sich Nacktheit, absurdes Posing und ungewöhnliche Settings, die euch aber keinesfalls abschrecken sollten. Sie sollten euch viel eher dazu anregen, über die Bilder zu sprechen und euch auszutauschen, wo denn nun die Grenzen der Fotografie sind und was wir persönlich von ihr erwarten. Auch die Fragen danach, was Kunst überhaupt ist und dürfen sollte, lassen sich bei einem Besuch ganz hervorragend auseinandernehmen.

Juergen Teller nimmt sich selbst offensichtlich nicht allzu ernst, also tut ihr es ihmdoch einfach gleich und sucht nicht bei jedem Bild nach einem tieferen Sinn und einer weltbewegenden Botschaft. Nehmt seine Arbeiten wie sie sind und vielleicht entdeckt ihr etwas, was euch anspricht, inspiriert oder auch erschreckt. Seid offen für Ungewohntes und versucht, euch auf die Sprache seiner Kunst einzulassen.

Also schnappt euch eure Familien und Freunde und gebt der Kunst der Gegenwart die Chance, die ihr meines Erachtens zu oft verwehrt wird.

Mehr Infos zur Ausstellung findest du hier!