Unconditional Love

von
am 26.03.2018

Je länger man seine bloßen Handflächen gegeneinander schlägt, desto merkwürdiger erscheint einem dieses Geräusch. Doch dieses Stück hat jeden einzelnen Klatscher des Applauses verdient.

Im Stück „Unconditional Love“ unter der Leitung von Theresa Henning geht es um bedingungslose Liebe, ob nun zwischen Liebenden oder mit sich selbst. Ich gehe mit Kopfschmerzen in den Jugendclub des Jungen DT. Die auch einfach „Box“ genannte Bühne, ist ja bekannt für ihre eher auf Bewegung und Wirkung basierenden Stücke. Ich denke mir also, es wird sicher ein eher entspannter Abend werden. Doch prompt, als ich den Saal betrete, dröhnt mir schon basshaltige Musik in den Ohren.

Passend dazu Videoaufnahmen der Darsteller*innen, wie ein Musikvideo an die Wände der Bühne projiziert. Eine gewisse Vorfreude kommt auf. Jetzt beginnt das Stück - mit Stille. Stille und Blicke. Es ist unheimlich... und in irgendeiner Weise doch lustig. Es wird Konfetti geworfen, Witze erzählt, getanzt und gestikuliert. Die Darsteller*innen verlassen die Bühne bis auf eine. Nach einer weiteren Videoshow zum Song BELLYACHE fängt sie an, einen eher poetischen und vollkommen nachvollziehbaren Monolog mit sich selbst zu führen - über Angst und Depression. Unterbrochen wird sie von einem hereinplatzenden Jungen, der das umherirrende Licht fangen will. Enttäuschung breitet sich in mir aus. Ich hätte ihr gerne noch länger zugehört. Das Licht lässt sich nicht fangen und die Unendlichkeit überwältigt beide, als eine dritte Person in die Box tritt. In einer erfundenen Sprache schreit sie (vermutlich) ihren Freund an, der auf die Wände projiziert ist und auch mit ihr zu reden scheint. Jedoch, ohne einander zu verstehen. Dann schafft es der Darsteller vom Bildschirm doch auf die Bühne. Im Kleid und erfundene Worte rufend kommt er auf seine Partnerin zu und beide tanzen bzw. bewegen sich romantisch miteinander. Sie schreien sich und uns an. Mein Kopf dröhnt und meine Sitznachbarin schaut mich mit schiefem Blick fragend an.

Doch das sollte noch nicht genug Geschrei gewesen sein. Die nächste Szene folgt und mir wird klar, dass jede Szene ein bestimmtes Gefühl oder eine bestimmte bedingungslose Liebe darstellt. Nun stehen zwei andere Darsteller*innen auf der Bühne. Ein langhaariger Junge, der, wie es scheint, mit multiplen Persönlichkeiten kämpft und diese vor allem anschreit. Die andere Darstellerin versucht ihn zu beruhigen und wortwörtlich zu halten. Es wird wieder still. Sie verlassen die Bühne und es tritt ein Darsteller mit einer Atemhilfe, die mich stark an den Film „das Schicksal ist ein mieser Verräter“ erinnert, in die Box. Mit beruhigender, sanfter Stimme erzählt er uns von einem Medizinstudenten, den er kennen- und lieben gelernt hat. Doch litt dieser unter starken Bindungsängsten. Während er dies erzählt, wischt ein weiterer Schauspieler, der den Medizinstudenten verkörpern soll, im Hintergrund die Bühne. Die Geschichte ist recht traurig, doch nimmt sie eine süße Wende. Der Junge mit der Atemhilfe wurde operiert und als er aufwachte, war dort der Medizinstudent, der sich mit den Worten „Ich bin sein Freund!“ zutritt zu seinem Zimmer verschafft hatte.

Die Nächste Szene ist kurz aber umso wichtiger: Es geht um Selbstliebe. Wir sehen jemanden, der mit dem Rücken zu uns gewendet ist und sich zu küssen scheint. Freudestrahlend kommt er auf uns zu und stellt uns seinen neuen Freund vor. Sie kennen sich schon seit ganzen 18 (!) Jahren. Das Publikum gluckst zwar kurz auf, doch ist es sichtlich erfreut, wie auch ich es bin. Denn was sollte bitte bedingungsloser sein, als die Liebe zu sich selbst!!

Selten kommt Liebe ohne Eifersucht und manche investieren mehr in eine Beziehung als andere. So kommt es dazu, dass die eigentlich so elegant und perfekt aufeinander abgestimmt tanzenden Jungen aus dem Rhythmus geraten, als ein weiterer erscheint. Auch wenn der eine hochkonzentriert und leidenschaftlich weitertanzt, lässt sich der zweite ablenken, lässt seinen Partner hängen, gar fallen und verlässt ihn am Ende schließlich endgültig. Ich freue mich dennoch, wie dieses Theaterstück LGBTQ+ Beziehungen als so normal darstellt, wie sie auch wirklich sind. Die Jungen verlassen die Bühne und zwei Mädchen treten hinein. Das eine Mädchen schreit das andere an, warum sie sie denn beobachtet und warum sie nett zu ihr ist. Ich verstehe nicht ganz, worauf hier angespielt wird, bis sie es ihr ins Gesicht Schreit: „WARUM MAGST DU MICH? ICH BIN BEHINDERT!“ Das angeschriene Mädchen lässt sie allein. Gebannt sitze ich in meinem Stuhl und werde förmlich zum typischen Fangirl. Ich denke mir: NEEEIN! NEIN NEIN NEIN! Lass sie bitte nicht so stehen!

Sie erhört mein stilles Flehen und taucht wieder auf. Sie stellt klar, was sie fühlt und das es ihr nichts ausmacht. Und dann passiert, was ich mir zwar erhofft, aber nicht erwartet habe. Sie küssen sich. Die gesamte Besetzung samt Technikfrau Toni tritt nun auf die Bühne und steht dort in einer Gruppenumarmung zur Musik von „Titanic“. Das Publikum überschüttet sie mit nichtendenwollendem Applaus. Bedingungslose Liebe gibt es in vielen Fassetten und dennoch ist sie selten. Dieses Bewegungsstück hat einige von diesen Fassetten gezeigt. Und nicht nur das, auch, dass Menschen mit Behinderung genauso gut Schauspielern können, wie Menschen ohne Behinderung.