„Für mich ist das immer noch Popmusik"

am 03.07.2016

Angefangen hat er auf der Straße und nun steht er auf den Bühnen dieser Nation und kann von der Musik leben. Georg auf Lieder hat sein zweites Album herausgebracht und wir haben mit ihm auch über den ungewöhnlichen Titel des Albums gesprochen.

 

Georg auf Lieder hat die Schule abgebrochen, um eine Musikkarriere zu starten. Klingt verrückt, doch mit viel Fleiß und Talent hat er das geschafft. Aber dazwischen ist ziemlich viel passiert. Georg zog aus Hamburg nach Berlin. Dort fiel er nicht nur wegen seiner Körpergröße auf. Denn er spielte auf dem Alexanderplatz seine eigenen Lieder. Das hob ihn von anderen Straßenmusikern, die oftmals nur Coverversionen spielten, ab. Ein Freund eines Musikmanagers entdeckte ihn. Ab da ging die Reise los, über die wir mit ihm in unserem Interview gesprochen haben. Außerdem sprachen wir mit ihm über sein neues Album ,,Mano Grande", bei dem er sich musikalisch weiterentwickelt und mehr in Richtung Punk geht. Nach dem Interview hat Georg auf Lieder für uns noch seinen Song ,,Frosch" akustisch gespielt. Das Video findet ihr unter dem Interview!

jup!: Du warst zwei Jahre in Berlin Straßenmusiker. Was hast du dort für Erfahrungen gemacht und inwieweit prägt das deine Musik heute noch?

Georg auf Lieder: Bei der Straßenmusik ist es so, dass sich keiner für dich interessiert, außer du machst dich interessant. Weil ich immer eigene Songs gespielt habe und nie Cover, musste ich die Menschen zwischen den Songs auch unterhalten. Denn wenn du aufhörst zu spielen, sind die Leute weg. Also musst du jede Sekunde irgendwie füllen, selbst wenn du deine Gitarre stimmst. Das habe ich mir angewöhnt. Auf der Bühne ist das oft immer noch so. Straßenmusik ist auch eine gute Schule. Du spielst jeden Tag vor fremden Menschen und da brauchst du ein dickes Fell, weil du viele Kommentare um die Ohren bekommst. Das prägt mich immer noch. Das Performen und Singen habe ich auf dem Alexanderplatz so richtig gelernt.

Was dachtest du, als du plötzlich Angebote von verschiedenen Plattenfirmen vorliegen hattest?

Das ging ja nicht von heute auf morgen. Aber der Sprung war extrem krass. Nachdem ein Kumpel von meinem jetzigen Manager mich entdeckt hatte, spielte ich ihm [dem jetzigen Manager] in einem Park ein paar Lieder vor, dann auch mal vor Produzenten. Danach hatte ich dann einen Verlagsdeal, ein paar Showcases und habe auch als Support gespielt. So kam das langsam dahin, dass verschiedene Firmen auf mich aufmerksam geworden sind. Wenn du dann so einen Vertrag siehst und dann da dein Name draufsteht, denkst du dir: „Krass!“. Das war auch gut für meinen Charakter, weil ich gemerkt habe, dass, wenn man sich anstrengt, auch seinen Lohn dafür bekommt.

Du hast eine ziemlich turbulente Vergangenheit. Schulabbruch, um mit einer Punkband durchzustarten, Umzug aus Hamburg nach Berlin, Straßenmusik, mit der du versucht hast, irgendwie über die Runden zu kommen und jetzt dein zweites Soloalbum. Wie fühlst du dich im Moment?

Das ist voll absurd. Hättest du mir das vor fünf Jahren gesagt, hätte ich gesagt: „Du spinnst doch!“. Es ist total krass, wenn ich zum Beispiel auf Tour bin und merke, dass sich die Leute mit meiner Musik beschäftigen und ich Probs von Künstlern bekomme, die ich selber feiere. Die Freude hört nicht auf, aber man erlangt eine gewisse Souveränität. Der Sprung von der Straße zum Plattenvertrag war riesig, denn da werden dir Sachen abverlangt, mit denen du auf der Straße nichts am Hut hattest. Aber in solche Situationen wächst man herein. Dadurch habe ich mich als Menschen besser kennengelernt und bin auch gewachsen.

Dein neues Album heißt „Mano Grande“. Das bedeutet zu Deutsch so viel wie „große Hand“. Warum der Titel?

Hinter diesem Titel steckt eigentlich ein Insider. Meine Mutter kommt aus Bolivien und meine besten Freunde Frankie (Bass) und Olli (Schlagzeug) spielen in meiner Band. Ich habe mein Album in Spanien aufgenommen und da haben die beiden mich das erste Mal Spanisch sprechen hören. Da war ich mit Olli Wasser kaufen und da habe ich auf Spanisch mit der Kassiererin geflirtet. Als wir zurückkamen, meinte Olli: „Das hättet ihr hören müssen, wie der auf Spanisch gesprochen hat, und die Kassiererin hat sich nur gedacht: Oh mano grande“. Olli hat einfach ganz stumpf gedacht, dass "mano" Mann bedeutet und "Mano Grande" somit großer Mann. Das war einfach so bescheuert, dass das der Insider der ganzen Produktion geworden ist.

Man hört bei den Liedern auch, dass du vom Punk kommst. Wolltest du den Klang auch bewusst so, um ein bisschen eine Brücke zu deiner Vergangenheit zu schlagen. Was gibt es noch für Unterschiede zur ersten Platte?

Es eine bewusste Entscheidung, aber auch eine organische Entwicklung. Auf der Straße habe ich zwei Jahre lang alleine gespielt. Dann habe ich den Plattenvertrag bekommen und viele Supports gespielt. Ich stand da dann vor 100 bis 10.000 Leuten alleine mit der Gitarre. Irgendwann dachte ich, dass das kein Rock’n’Roll ist. Wenn du dann alleine in einem abgefuckten Ort bist, in einem scheiß Zimmer im Bett liegst, dein Fernseher und dein Handy haben keinen Empfang und das Liebevollste, was das Zimmer hinbekommt, ist die Gummibärchenpackung auf dem Kissen, die du sowieso schon aufgegessen hast. Meine Idee von Rock’n’Roll war immer eine andere. Dann habe ich immer mehr mit Band gespielt und auch die E-Gitarre in die Hand genommen. Dadurch hat sich das Songwriting auch verändert. Das bot sich bei "Alexanderplatz" [Anm. d. Red. sein erstes Album] nicht so an. Für mich ist es aber immer noch Popmusik und immer noch genauso Georg auf Lieder, nur breiter aufgestellt. Die Produktion hat sich aber auch weiterentwickelt und das Songwriting auch. Letzte Woche habe ich nach langer Zeit wieder in "Alexanderplatz" reingehört und konnte gar nicht glauben, dass ich das bin. Das hätte ich heute ganz anders gemacht.

Du hast es ja eben schon anklingen lassen: Du hast bei vielen Bands schon als Support gespielt. Gibt es da eine Band, bei der du besonders aufgeregt warst?

Es waren alles tolle Leute. Musikalisch war es für mich die größte Ehre mit Mia zusammenzuspielen. Auf menschlicher Ebene war jede Supportshow krass für mich. Das sind Leute, die du aus dem Fernsehen kennst. Bei Milow zum Beispiel habe ich vor 3.000 Leuten gespielt und er hat dann noch einen Song von mir gesungen. Vor Imagine Dragons habe ich vor 10.000 Leuten gespielt. Und auf meiner ersten Tour mit Rea Garvey, einfach unglaublich. Da wurde ich jeden Abend wie ein junger Gott behandelt. Und bevor ich Rea Garvey supportet habe, war ich aufgeregt bis zum geht nicht mehr und habe gezittert. Aber umso größer es wird, desto einfacher wird es. Das ist absolut absurd. Das Letzte, worum ich mir Gedanken gemacht habe, war, welche Songs ich spiele. Ich bin teilweise auf die Bühne gegangen, ohne zu wissen, welche Songs ich spiele. Das habe ich bei der Straßenmusik ja auch nicht anders gemacht. Ich habe einfach das gespielt, worauf ich Bock hatte.

Dieses berühmte Loch, von dem Musiker berichten, wenn sie gerade fertig sind mit einer Tour, gab es das bei dir auch?

Klar! Jetzt zum Beispiel hatte ich gerade eine Produktion, dann eine Promo-Phase und dann eine Tour und jetzt habe ich das erste Mal ein bisschen Luft zum Atmen. Dann kommst du runter und fühlst dich ein bisschen wie ein Neandertaler. Im Moment bin ich gerade in so einer Phase, da bin ich allein zu Hause und da gibt es kein Catering und keinen, der dir deine Handtücher zurechtlegt. Das ist nicht wie im Hotel, wo dein Zimmer immer gemacht ist, sondern du musst dich selbst drum kümmern. Damit muss man auch erst wieder klar kommen. Mit dem Besitzer des Studios, wo ich mein Album aufgenommen habe, sprach ich auch darüber. Ich habe ihn gefragt: „Gibt es da irgendein Gegenmittel, kann man da irgendwas unternehmen?“ Da meinte er: „ Das kannst du vergessen! Das wird niemals weggehen.“ Man muss sich in diesen Phasen einfach bewusst machen, dass das auch wieder vorbei geht. Mir hilft in solchen Löchern immer Ordnung. Da bekomme ich immer meinen Putzfimmel.

Und zu guter Letzt: Was können wir von dir erwarten?

Ich werde jetzt noch ein paar Festivals spielen. Ich schreibe auch die ganze Zeit schon für neue Songs. Ich weiß noch nicht, ob ich im Herbst auf Tour gehen werde. Ich weiß auch noch nicht, wann mein neues Album kommen wird. Man kann von mir auf jeden Fall erwarten, dass ich immer Musik machen werde.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Teaser-Bild: Ben Wolf)

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