Liebe A.,
ich kenne dich! Ich sehe wie du mit deinen 14 Jahren vor dem Nebeneingang der Schule stehst. Ich kenne deine Langeweile und deine Sehnsucht. Ich kenne deine Fragen, deine Verwünschungen und Appelle an eine bessere, fairere Zukunft. An eine, die gespickt ist mit Freiheiten und Festen. Mit Sommertagen und Glückseligkeit. Lange musste ich mit mir hadern. Diesen Brief an dich zu richten, HenkerIn* und RichterIn* spielen zu müssen. Ich
will dir deinen Mut nicht nehmen, aber Trost geben kann ich dir auch nicht. Wer ich bin? Der Tod? Die Enttäuschung? Das Gewissen? Alles wäre wohl spannender, aber nein, ich bin du. Dein ZukunftsDu.
Dein A.Sein mit 24. Mit mehr Augenringen und weniger Hoffnungen. Mit mehr FSK 18 Filmen und mehr Versicherungsrechnungen. Diese Liste könnte ich lange fortsetzen und dich in die Dialektik des Erwachsenenlebens einführen, wie einen frischen Tampon. Aber sogar mir, ist das zu müßig. Verknappt gesagt, ich bin das schillernde Spätzlein, dass nun im goldenen Käfig sitzt und Lieder von Un_Freiheit(en) trällert. Für geschlossene Ohren und Augen. Für Menschen, die behaupten, dass du mich nicht verstehen wirst. Weil sie es selbst nicht verstehen. Egal wie klug du bist oder einmal wirst. Du bist nicht die Zielgruppe. Ich bin das Spätzlein dem man verbietet im Namen der Freiheit, von Vergewaltigung zu schreiben. Von sexueller Belästigung. Vom Tod generell und in einer Sprache, die im ‚bürgerlichen Glanze‘ einer konservativ-heteronormativen-verpupsten-Zweitklassigkeit unerwünscht ist. Findest du das nicht auch so sonderbar? Über Freiheit schreiben zu dürfen, weil es dir jemand erlaubt? Über Schaubilder und Motive die zwischen Eislokalen und Häkeltechniken kreisen?
Vielleicht hast du noch nie etwas von Diskriminierung gehört, noch nie Gewalt erfahren. Das wünsche ich dir sehr, bitte glaub es mir. Denn dann, gehörst du zu den Menschen, die mit Privilegien ausgestattet sind. Die Macht haben und sich der Verantwortung entziehen können, in Happyland leben. Zu denen, die das Über_Leben mit dem Weiter_Leben quittieren. Zudem Trotz_dem.
Ja, du bist nicht die Zielgruppe. Nicht einmal eines Briefes, der von dir an dich gerichtet wird.
Ich finde, dass für die Zielgruppe Doktor Sommer zuständig ist. Oder Tik Tok.
Schustra zum Spätzchenklang
„Meinen Namen – gaben mir meine Eltern. Meine Eltern – haben mich ohne mein Einverständnis in diese hungrige, elendige und mühevolle Welt befördert. Diese Welt – wird weiterhin existieren, selbst wenn ich fort bin. Selbst wenn alle die fort sind, die sich an mich
als Person, meinen Namen oder meine Hinterlassenschaften erinnern konnten – fort sind – geht diese Welt weiter. So egoistisch die Gründe oder Nicht-Gründe waren, die mich zu diesem „Joch voller Knechtschaft“ verdammten – so unentrinnbar schmerzlich werde ich kraft meines Daseins mit ihnen konfrontiert. Ich nenne diese meine Unfreiheit, eine goldene. Jawohl! Denn sie ist es, die meinen Kummer wiederstrahlt. Ihn spiegelt. Ihn verhöhnend einfasst und diese Unfreiheit ist es, die mir meine Entbehrungen verrechnet.
So unbedarft ich entstanden, so unbedarft ist mir etwas gewachsen. Dieses Etwas wurde fremdgelabelt. Das Label „Frau*“ ist das nichtige Dokument, dass ich kraft fremder Deutungsdominanz selbst bei den nichtigsten Formularen von BürokratieenthusiastInnen*
vorzulegen habe. Eigentlich muss ich es nicht einmal vorlegen. Diese meine Hölle ist perfiderweise so konstruiert, dass das schmutzige Label mir vorauseilt. Mich in gefährliche Situationen bringt. Mir die Schuld für Übergriffe zuschreibt. Mich zwingt die Ketten, die
mein Glück beschneiden, amtlich zu machen. Frau*, das ist etwas, dass zwischen der x-Achse „Hetäre* oder Empusa*“ und der y-Achse „Heilige*“ zu finden ist. Eines asynchronen Koordinatensystems. Von Anderen (tragischerweise gehörst du dazu) etabliert und täglich zwecks Verankerung performiert. Frau* – das ist der für nützlich befundene Bodensatz, der mich an die irdische Arbeitsmaschine anschnallen soll. Frau* – das ist die Strafe und Belohnung, einem LooserInnen*team anzugehören.
Selbst wenn ich irgendwann – welch Unermesslichkeit ließe sich im Ausdruck der ‚jungen Ewigkeit‘ greifen – ein wenig Bildung, ein wenig Eigensinn zusammenklauben dürfte, werde ich nie ähnliche Rechte genießen, wie ein weißer, faltiger Arm. Ich werde immer dieses minderjährige Mädchen* sein müssen, auf dessen Gesicht sich eine Lache Tränen wie Ejakulat ergießt. Meine vermeintlichen Erfolge werden zusammenschrumpfen vor einer Reproduktionshypothese. Werden belächelt, als Laune einer Langenweile vor der Ehe, oder vor der Menopause. Vor dem Moment, wenn ich ausrangiert werde. Vor diesem Moment, wenn ich vergewaltigt meine Träume unter stinkender Erde begrabe(n muss). Und darüber nicht einmal klagend schreibend darf.
Freiheit – ist Köder. Der wonnevolle Garten, Paradies, muss fern ab liegen. Aber das Ferne ist aus der Nähe auch nur ein Zentrum. Eine „Mitte der Gesellschaft“, die eigentlich eine „Mitte des Hosenbundes“ markiert. Wo soll ‚ich‘ schon Freiheit finden? ‚Draußen‘ beim Spazieren gehen? Wenn P. und Ness mich anstieren und ich mir oder ihnen nicht die Augen ausstechen kann? ‚Drinnen‘ beim Brüten, wenn ich mir nicht die Ohren hinunterreißen kann? Weil sie schon im Schädel gewaltsam verstülpt, eigentlich eine kummervolle Ahnung der Ohnmacht preisgeben? Eine traurige Melodie nach der anderen spielen, derer ich mich nicht erwehren kann.
Aber im inneren Exil lebt es sich einsam. Sind Kompromisse die Vorboten einer Freiheit, die ich haben kann, weil sie mir eingeräumt wird? Weil ich sonst nichts zu fressen bekommen und elendig zu Grunde gehe – wenn ich mein Haupt nicht unter das Reglement eines
uneleganten Schafotts der Erniedrigung beuge? Weil ich mehr will als one of these days? Mehr als Rendezvous aux Cheminots? Mehr als Lara für Juri zu sein? Weil ich Respekt, Würde und Menschenrechte will? Weil ich keine große Wurfmaschine, die von einer Zusammenballung kleinen Hasses in Tätigkeit gesetzt wird – sein will? Ich finde, dass Freiheit ein Schimpfwort ist. Ein feiges und schales Versprechen für ein Jenseits, dass für mich nicht kommt. Wie sollte es auch? Ich will das Sollen nicht müssen – nur das Wollen können. Ich will nicht meine kurze Zeit verschwenden und in fremde muffige Schubladen passen. Ich will nicht schuften und mit krummen Rücken piefige Städtereisen unternehmen, wenn das Flugticket billig und die adamah (un)willig ist. Ich will nicht hören, dass ihr das anders seht. Ihr habt eh gewonnen, wenn es überhaupt bei diesem (Un)Glücksspiel Gewinnende geben sollte.
Ich möchte nicht zu schwach zum Sterben und zu stark zum (vorgeschriebenen) Leben sein. Ich möchte nicht wissen, welche meine Hosengröße ist. Ich will nicht hören, dass mein Deutsch gut ist. Ich will nicht gefragt werden woher ich komme, sondern wohin ich will.
Wieso wird das nur gefragt, wenn der Zugang verstellt ist? Eine Freiheit die so beschissen daher kommt, kann nur von (Un)Freien gefeiert werden. Der unfreie Mensch kann nicht anders, als seine Unfreiheit zu glorifiszieren. Und ich – ich kann nicht anders als den Schrei zu illustrieren, der mir das Schrei_ben abschnürt. Der mich auch an Sonnentagen heimsucht. Der mir die grausame Lächerlichkeit meines irdischen Daseins vergällt. Von dem ich breche. In tausend Stücke und keines passt zueinander.“
Was soll demnach Freiheit sein? Eine Allegorische Erzählung? Ein philosophisches Gespräch? Ein Totengespräch? Ein Epigramm? Ein lyrisches Drama? Ein dramatisches Gemälde? Eine Rahmenerzählung? Eine Ich_Erzählung? Eine Vision? Eine Epistel? Das Arbeitsgebet? Die Totenklage? Der Hymnus? – oder doch ganz viel unverständlicher Quatsch?
Du bist selbst Opfer sexueller Belästigung oder sexueller Gewalt geworden? In unserem Dossier "Sexuelle Gewalt" findest du wichtige Hilfestellung und Ansprechpartner: