Jump Cuts vs. Analog-Handheld

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am 27.02.2018

Früher war manches besser?

Die meisten von euch, ich zähle mich leider dazu, werden damals noch nicht alt genug gewesen sein, um das „Blair Witch Project“ mitbekommen zu haben. 1994 machten sich drei Anfangzwanziger auf den Weg nach Burkittsville, um dem Geheimnis der Blair Witch, auf den Grund zu gehen. Alle drei waren Filmstudenten und wollten für ihr Studium eine Dokumentation über die Legende der Blair Witch produzieren.

Die Hintergründe des Blair Witch Kults

Legenden, Sagen und den Blair Witch Cult gibt es tatsächlich, aber nur weil die Produzenten in akribischer Kleinarbeit alles erfunden haben, mit einer der besten Promo-Aktion, die es bisher gab, setzten die Produzenten den Mythos der Blair Witch in die Welt und alle haben es geglaubt. So entstand um den pseudo-dokumentarischen Found-Footage (zu Deutsch: Gefundenes Filmmaterial) ein riesen Hype.

Auf dem Gebiet des heutigen Burkittsville, zwei Stunden von Washington D.C. entfernt, verortete sich bis 1786 „Blair“, ein kleines US-amerikanisches Städtchen. Nachdem im Februar 1785 mehrere Kinder behaupteten, die Bewohnerin „Elly Kedward“ habe sie in ihr Haus gelockt, um ihnen Blut abzusaugen, wurde „Elly Kedward“ wegen Hexerei aus dem Städtchen verbannt. Die restlichen Bewohner hielten sie seitdem für Tod. Im November 1786 war man dessen nicht mehr so sicher, da alle Ankläger im Fall der „Hexe – Elly Kedward“ und die Hälfte aller Kinder spurlos verschwanden. Das war jedoch nur der Anfang. Im Jahr 1809 wird von einem anonymen Autor ein Buch über die Blair Witch und das Dorf Blair veröffentlicht. Seit dem Jahr 1825 gab es regelmäßig Überlieferungen von paranormalen Aktivitäten, grausam zugerichteten Leichen und dem Verschwinden von Kindern.

Der Film

Die drei Studenten fahren, nachdem sie Interviews mit Bewohnern von Burkittsville geführt haben, in das Waldstück, in dem die Hexe spuken und in dem es auch einen Hexenfriedhof geben soll. Nach anfänglichem Enthusiasmus merken die drei schnell, dass sie nicht alleine in den Wäldern sind. Nachts fängt es an zu spuken, auf mysteriöse Art und Weise verschwinden Gegenstände, so unter anderem eine Karte des Waldabschnittes, in dem sie sich befinden. Ohne Kontakt zur Außenwelt und Karte versuchen sie, aus diesem Wald herauszufinden und beschließen, solange Richtung Süden zu laufen, bis sie auf Zivilisation treffen. Mangelernährt und immer verzweifelter müssen die drei feststellen, dass sie im Kreis gelaufen waren.

Visuelle Umsetzung

Die Kameraführung wurde komplett von den Schauspielern übernommen und zwar auf einer einfachen Handvideokamera und einer 16-mm-Filmkamera, die jeweils einen ganz eigenen Stil haben. Mit 70.000 US-Dollar Produktionsbudget war es eine eher günstigeFilmproduktion, was allerdings nicht schlimm ist, denn obwohl die sehr einfache Handkamera teilweise eine sehr unschöne Bildqualität hat, gerade wenn es um das Darstellen von Dynamikumfang geht, passt es einfach zum Film. Auch die 16-mm-Filmkamera ist für eine Kinoproduktion eine eher unschöne Wahl, da in diesem Film durch die natürlichen Gegebenheiten oft mit großen Helligkeitsunterschieden gearbeitet werden muss. Die 16-mm-Videokameras wurden früher eher für Heimvideos oder Dokumentationen genutzt. Rein auf die Videoqualität reduziert ist dieser Film aus filmischer Sicht nicht sehr befriedigend, im Kontext der Handlung und auch der daraus resultierenden Kameraführung ist es aber dennoch nicht schlimm, da es im Gesamten dennoch ein stimmiges Bild entsteht.

Bildbeschreibung: Emilio Sakraya (Charly), Timmi Trinks (Finn), Lisa-Marie Koroll (Emma), Tim Oliver Schultz (Theo)

Die neue Generation der Unterhaltung

YouTuber á la Leon Machere und ApoRed wollen immer härtere Challenges und Pranks auftischen. HÖHER – WEITER – SCHNELLER ist nicht nur die Lebensphilosophie eines Großteils der Bevölkerung, sondern leider auch der meisten Prank-YouTuber. So auch von den PrankstaTV Jungs. Im Film Heilstätten, welcher ab sofort in den Kinos betrachtet werden kann, stellen sie zwei YouTuber dar, die Deutschlands bekanntesten YouTube-Channel betreiben sollen. Sie haben es sich zur Aufgabe – Neu-Deutsch: „Challenge“ – gemacht, sich 24 Stunden lang in den Heilstätten kurz vor Berlin bei Beelitz einzuquartieren.

Die Hintergründe

Ganz offensichtlich wird erst einmal mit der Faszination vieler Menschen gegenüber verlassener Gebäude gespielt. Ansonsten haben die Heilstätten Beelitz eine sehr interessante Geschichte. Der Bau des Krankenhauskomplexes, welches sich über ein Gelände von 200 ha zieht, endete 1902, ab sofort konnten hier bis zu 600 Patienten aufgenommen werden, ab 1910 sogar 1200 Patienten, die Heilstätten Beelitz bildeten damit bis heute den größte Krankenhauskomplex im Berliner Umland. Sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg diente es unter anderem als Lazarett und Sanatorium für erkrankte und verwundete Soldaten. Adolf Hitler, der im Ersten Weltkrieg kämpfte, wurde zwischenzeitlich in Beelitz behandelt. Zu Zeiten der Nazis sollen auch in den Beelitzer Heilstätten, wie in vielen anderen Einrichtungen der Nazis, grausame Versuche und Morde stattgefunden haben. Auch im Nachkriegsdeutschland und zu Zeiten der Teilung dienten die Heilstätten als Krankenhaus, auch Honecker lag hier, nachdem er an Leberkrebs erkrankte. Seitdem die Heilstätten nun verlassen im Dunstkreis Berlins stehen, gab es auf dem Gelände drei Morde, die verzeichnet wurden.

1991 tötete der Rosa Riese Serienmörder 800 Meter vor dem Krankenhaus die Frau eines russischen Arztes und ihr drei Monate altes Baby. 2008 ermordete ein Fotograf sein Model, mit welcher er auch eine sexuelle Beziehung gehabt haben soll. 2011 erhängte sich eine obdachloser Mann, welcher zuvor bereits fünf Monate in den Gebäuden der Heilstätten lebte.

Die Filmhandlung

Die PrankstaTV YouTuber fordern ihre Konkurrentin, gespielt von Nilam Farooq, zu einer „24h in…“ -Challenge heraus. Ausgestattet mit genügend Verpflegung, Kameras, Lichtern, Kerzen, einem Guide, der sich mit den Heilstätten sehr gut auskennt, der Konkurrentin und einer weiteren kleineren YouTuberin, welche die Ex-Freundin des Guides ist, geht es also los zu den Heilstätten. Obwohl die Challenge entspannt beginnt, bemerken die Zuschauer (also ggf. ihr) und etwas später die beteiligten Charaktere, das irgendwas an den Heilstätten ziemlich faul ist. Kalte Windzüge, Ausfall von Elektrogeräten und Blutspuren lassen die Gruppe nervös werden.

Visuelle Umsetzung

Wie der Film „The Blair Witch Project“ ist auch der Film „Heilstätten“ prinzipiell erst einmal ein Found-Footage-Film. Neben den VLog Cams, die – wie uns die Schauspieler*innen im Interview erzählt haben – nicht nur von einem Kameramann, sondern auch von ihnen selbst geführt worden sind, stellen die Charaktere noch zusätzlich Kameras auf. Der Film ist im Ganzen eine Mischung aus charaktergesteuerter, kameramanngesteuerter Kameras und Standkameras. Unabhängig von der Qualität des Bildes, hat mich das als Zuschauer stellenweise verwirrt beziehungsweise überfordert. Meiner Meinung nach war es nicht immer sofort deutlich, welche Perspektive wir als Zuschauer einnehmen, zumal ich mich gefragt habe, warum man bei einem Found-Footage Film so viele „professionelle Kamerafahrten“ einbaut, da dies dem Stil der Filmidee widerspricht. Die Bildqualität war Top-level, man hat den Einfluss von Fox auf die Produktion deutlich gespürt, auch wenn man hier das Level der Qualität, für die Stimmigkeit auf Handlung und Szenario, etwas tiefer hätte halten können beziehungsweise in der Postproduktion einen entsprechenden Look hätte rauflegen können. So entspricht die Bildqualität nämlich nicht einer durchschnittlichen YouTube-Produktion.

Fazit

Die Entwicklung des Filmgenres – angefangen von „The Blair Witch Project“, Wegbereiter von Found-Footage-Filmen bis heute und dem neuen Film „Heilstätten“ – finde ich super interessant. Obwohl die Produktionskosten für Heilstätten sicherlich höher waren als die schon fast lächerlichen 70.000 US-Dollar für „The Blair Witch Project“ stimmt das Gesamtbild hier besser. Es wurden sich nicht zu hohe Ziele gesetzt, sondern realistische Ziele souverän und mit vergleichsweise einfachen Mitteln umgesetzt, genau deswegen wirkt der Film jedoch realer und stimmiger. Heilstätten ist für die Zielgruppe 12 bis 14 Jahre sicherlich ein guter und gruseliger Film, was sicherlich auch die Hauptzielgruppe ist, dennoch fehlt mir im Film etwas. Die YouTuber entsprechen den Rollenklischees, die Mittfünfziger gegenüber YouTubern haben, der visuelle Eindruck ist nicht stimmig mit der Handlung und der restlichen Situation und der Ausgang der 24h-Challenge ist mir einfach zu zufällig gewählt. Unterhaltend ist der Film, mehr aber auch nicht.

Wir trafen Freshtorge, Tim Oliver Schultz und Nilam Farooq zum Interview! Hier kommt ihr zu den Videos!