Ausnahmezustand in Berlin

am 14.06.2017

 

„Positiver als bei den Olympischen Spielen!“, beschreibt Elisabeth Seitz die Atmosphäre der Deutschen Meisterschaften des Geräteturnens. Seitz, selbst schon an Wettbewerben wie den Olympischen Spielen und diversen Weltmeisterschaften teilgenommen, kommt auch nach dem Gewinn ihres 18. Deutschen Meistertitels im Mehrkampf nicht mehr aus dem Lachen und Staunen heraus. Die Gesichtszüge reflektieren sich in denen ihrer Fans, die sie begeistert nach Autogrammen und Fotos fragen. So sieht Begeisterung fürs Turnen aus, für den Wettkampf, für den Sieg. Man findet sie jedoch nicht nur bei den größeren Veranstaltungen wie der Deutschen Meisterschaft, ganz Berlin war eine Woche lang im Turnfieber, wenn nicht sogar im Ausnahmezustand. Überall in der Stadt sah man sie: Menschen mit den Eintrittskarten für die verschiedenen Hallen des Berliner Messegeländes um den Hals, bekleidet mit einem auffälligen Shirt mit der Aufschrift „Wie bunt ist das denn!“. Als Teamsportlerin ist mir selbst in Berlin nicht aufgefallen, wie begeistert wir für das Turnen sind! Das kann zwar daran liegen, dass ca. 80.000 Teilnehmer*innen aus anderen Städten und sogar Ländern angereist kamen, aber die 100.000 Besucher pro Tag können dann doch nur aus Berlin und Umgebung kommen. Da wir jetzt sieben Tage Zeit hatten, um uns für diesen individuellen und unglaublich umfangreichen Sport zu begeistern, frage ich mich, wann es soweit sein wird, bis er auch außerhalb von Wettbewerben die Herzen der Bürger erobern wird. „Maybe they come from a festival? Did you read anything about it?“ (dt.: „Vielleicht kommen sie von einem Festival? Hast du irgendetwas darüber gelesen?“), fragten sich Touristinnen um Mitternacht in der U2. „Sie waren gerade bei einer Veranstaltung des Turnfestes“, antwortete ich ihnen. Kein Wunder, irgendwas muss ja los sein, wenn die U-Bahn um Mitternacht bis auf den letzten Zentimeter voll ist, man sich gegenseitig die Füße breit tritt, aber dann nur lacht, weil man den Sport feiert, der einen verbindet. Am nächsten Tag um die gleiche Zeit war es eine Turngruppe, die mit Gesängen den ganzen Wagon unterhielt. Mädels im Alter von 15 bis 17 Jahren mit ihren Trainern haben es tatsächlich geschafft, die Bahn so laut zum Singen zu bringen, dass der Zugfahrer mit dem Rausschmiss drohte. Für mich eine sehr lustige Erfahrung, die ich ohne das Turnfest nie hätte machen können. Trotz des Spaßes stand aber auch der Wettkampf im Vordergrund. Die Turnerjugend sowie die Senioren oder Profis waren mit ihren Verbänden vertreten und haben in den verschiedenen Teilbereichen des Turnens ihren Spitzenreiter ausgeturnt. Das Alter der Turner*innen und ihr Bewusstsein für den Sport hat mich dabei besonders überrascht. Viel Ehrgeiz, der das Turnfest samt seiner Organisation und Vielfältigkeit zu dem macht, was es ist. Ob Trampolin, Rhythmische Sportgymnastik oder Hula Hoop – das Turnfest bot ein breites Feld, um sich sportlich zu betätigen. Vereine aus den verschiedensten Städten trafen sich bei dem diesjährigen IDTF in Berlin, das nächste wird 2022 in Leipzig stattfinden.

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