FILM FEEDBACK: Folge 10

am 19.04.2018

Viel Spaß bei der aktuellen FILM FEEDBACK Folge von Kaja und Nushin! Heute im Gepäck: "Lady Bird", "Call me by your name", "Die Halbstarken" und "Persona". Alle FILM FEEDBACK- Folgen gibt es hier!

Aktueller Film

LADY BIRD (US 2017, R: Greta Gerwig, FSK 0)

Die 17-jährige Christine McPherson (Saoirse Ronan) möchte schnellstmöglich ihren Abschluss auf der katholischen High-School machen, um im darauffolgenden Jahr an einem College zu studieren. Ihr Ziel: Ihrer Kleinstadt in Kalifornien entkommen. Geldprobleme und ihre Mutter Marion (Laurie Metcalf) stehen der jungen Erwachsenen, die sich selbst den Namen Lady Bird gibt, jedoch im Weg. Als hätten Teenagermädchen nicht bereits genug Probleme, verguckt sich Lady Bird auch noch in den charmanten guterzogenen Danny (Lucas Hedges) und anschließend in das lässige Bandmitglied Kyle (Timothée Charlamet). Die freche und konservative Schülerin durchläuft eine verwirrende Zeit in ihrem Leben, in der sie mit den Konsequenzen von falschen Entscheidungen konfrontiert wird, um herauszufinden, was ihr selbst im Leben am wichtigsten ist. Sie stößt auf Verzweiflung und neue Freundschaften.

"Lady Bird" (2017) ist der Film, der sich mit seinen 5 Oscar-Nominierungen in die Köpfe aller Filmkritiker geschlichen hat.

Das Anfangsbild besteht aus Christine und ihrer Mutter, die beide laut über Christines Schulkarriere diskutieren. Spontan, genervt und von der einen Sekunde auf die andere schmeißt sich Lady Bird aus dem fahrenden Auto. Die Zuschauer werden regelrecht in diese und alle darauffolgenden Szenen hineingeworfen. Man wird von Anfang an damit vertraut gemacht, dass Lady Bird außergewöhnlich ist und sie eine eigene Weise hat, an bestimmte Situationen heranzugehen. Sie ist rebellisch, zynisch und oftmals unorganisiert, aber wenn es drauf ankommt, scheint sie eine nachdenkliche Person zu sein, die von ihrem Alltag überfordert ist.

Mit Humor, der einen satirischen Touch hat, führt uns Lady Bird durch ihr Leben. Der Verlauf der Geschichte wird von ruhiger Kameraführung und altmodischer Musik begleitet. Das Coming-of-Age-Drama scheut sich nicht davor, bei den Zuschauern durch peinliche Situationen zwischen den Charakteren und Dialoge, welche sehr fremd rüberkommen, eine unangenehme und komische Atmosphäre zu erzeugen, die den Film individuell macht.

Ich finde die "In meinem Himmel"-Schauspielerin Saoirse Ronan ist zu Recht für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert worden, da sie die Rolle von Lady Bird sehr überzeugend verkörpert. Während des Films habe ich mich häufiger gefragt, wie groß der Anteil an Saoirse Ronan Improvisationen im Film ist, denn von Anfang bis Ende spürt man die Natürlichkeit ihre Rolle.

Einerseits hat sich die Regisseurin Greta Gerwig für einige Szenen und Ereignisse Zeit gelassen, weshalb die Handlungen manchmal ein wenig langatmig wirken. Anderseits wird dieser Filmstil damit ausgeglichen, dass im Laufe der Handlung nie ein Gefühlschaos zwischen den Charakteren entsteht. Die Gefühle von Lady Bird sind immer nachvollziehbar und eindeutig. Für mich persönlich hat genau das, den Film beim Schauen angenehm gemacht.

Lady Bird (2017) ist nicht nur ein Independent Film über das Aufwachsen eines Jugendlichen, sondern auch ein Mutter-Tochter-Drama. Die Mutter von Lady Bird hat eine ganz besondere Rolle für den Ablauf der Geschichte. Man verfolgt zunehmend die Entwicklung der Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Fest steht: Bis zur letzten Sekunde fühlt der Zuschauer mit jedem Charakter mit. Definitiv ein Filmtipp!

Wer von euch jetzt Lust bekommen hat, ins Kino zu gehen, der kann sich hier den Trailer anschauen:

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Eine Allgemeine Empfehlung

CALL ME BY YOUR NAME (I/F/US/BRA 2017, R: Michael Gracey, FSK 6)

Call me by your name erzählt die Geschichte von Elio (Thimotée Chalamet), der 1983 mit seinen Eltern während der Sommerzeit Ferien in Norditalien macht. Der junge Amerikaner Oliver verbringt seine Ferien mit den Perlmans und bringt das Gefühlsleben des jungen Elio ganz schön durcheinander. Der Jugendliche, der neben Bücher lesen und klassische Musik hören, noch einen kleinen Flirt mit seiner Bekannten Marzia (Esther Garrel) führt, muss feststellen, dass er trotz seiner Intelligenz und der Bildung, die ihm seine Eltern ermöglicht haben, noch vieles über das Leben und die Liebe lernen muss.

Nachdem ich Call my by your name das erste Mal gesehen hatte, war ich erst einmal geflashed. Der Film war so schön inszeniert und die Geschichte war so mitreißend, dass ich inzwischen, gerade mal knapp vier Wochen später, das Bedürfnis verspüre, ihn mir ein weiteres Mal anzusehen und danach dann den Roman von André Aciman, auf dem der Film basiert, lesen möchte. Der Film ist bewegend, herzlich, aufwühlend und zugleich.

Einer meiner Freunde beschrieb sein Kinoerlebnis so: Er wünschte, er könne in jeder dieser „warmen, sonnengeküssten Einstellungen“ leben. Für ihn war das Gefühl, dort zu sein und sich zu verlieben, an diesem Ort und zu dieser Zeit, einfach nur wunderschön. Und ähnlich meiner Einstellung, ist auch er sich immer noch nicht sicher, wie man die emotionale Reaktion beschreiben soll, die der Film in einem auslöst. Er weinte nicht, aber es fühlte sich so an, als hätte der Film und speziell das Ende des Films sein Herz gebrochen. Erst als ich Nikolas‘ (der übrigens auch Kritiken schreibt) Worte las, wurde mir bewusst, dass ich genauso fühle und es nicht besser hätte beschreiben können.

Der Film nimmt einen mit auf die Reise der ersten großen Liebe und der bitteren Wahrheit, wenn der Sommerflirt vorbei ist. Elio und Olivers Liebe ist wie der Berliner Sommer. Zunächst noch recht kühl und kaum merklich, doch mit der Zeit wird sie immer wärmer und leidenschaftlicher, bevor sie an ihrem Höhepunkt angelangt ist. Und diese Geschichte einer Liebe schafft es, dass einem selbst bei Minusgraden (die es draußen noch hatte, als ich den Film gesehen habe) warm ums Herz wird.

Oliver, verkörpert von Armie Hammer, ist nicht nur groß und muskulös, sodass sich die Mädchen der italienischen Kleinstadt in ihn verlieben, er strahlt auch eine Dominanz aus, die er jedoch bereit ist, für Elio aufzugeben, um ihm die Oberhand zu geben. Er ist der verlorene Sohn der Familie, der sich für Elio, unbewusst in dessen Herz tanzt. Die beiden Protagonisten sind auf der einen Seite so verschieden und sich zugleich so ähnlich. Was sie verbindet, ist die Suche nach einer Liebe, die Anfang der 80er noch verboten war.

Call me by your name funktioniert ebenfalls so gut, da man die Chemie und die Sympathie der beiden Protagonisten Armie Hammer und Timothée Chalamet förmlich sehen und auf jeden Fall spüren kann. Vielleicht liegt das auch daran, dass die zwei keine richtigen Proben vor Beginn der Dreharbeiten hatten. Die einzige Probe, die von Regisseur Luca Guadagnino angesetzt wurde, fand im Garten des Hauses statt. Armie Hammer erzählt die Geschichte bei der amerikanischen TV-Hostess Ellen DeGeneres folgendermaßen: Die drei gingen in den Garten hinaus und Guadagnino schlug eine wahllose Szenennummer vor. Die beiden Protagonisten suchten also im Drehbuch nach der besagten Szene und alles, was als Beschreibung dort stand war: „Elio und Oliver küssen sich wild im Gras“. Also fingen Hammer und Chalamet an, sich auf den Rasen zu setzen und sich zu

küssen, wurden jedoch schnell vom Regisseur unterbrochen. Er wollte, dass sie sich so küssten, als würden sie es wirklich wollen. Also begannen sie von neuem und wälzten sich, den Regieanweisungen gemäß, immer mehr im Gras herum. Sie küssten sich und küssten sich und als keiner die Szene beendete, schauten die beiden irritiert auf. Es stellt sich heraus, dass Regisseur Luca Guadagnino einfach weggegangen und die beiden knutschend zurückgelassen hatte. Na, wenn das nicht von Anziehung spricht.

Besonders Timothée Chalamet, der in den Interviews, die ich gesehen habe, sehr sympathisch und bodenständig erscheint, macht einen ausgezeichneten Job in diesem Film. Nicht nur, dass er an zwei Filmen mitwirkte, die bei den Oscars als bester Film nominiert waren, er erhielt mit seinen 22 Jahren ebenfalls seine erste Oscar Nominierung als bester Hauptdarsteller für die Darstellung des Elio Perlman in Call me by your name.

Neben schönen Sommereinstellungen gibt es allerdings auch Szenen, die mir nach dem Ende des Films noch im Gedächtnis blieben. Dazu zählt zum einen selbstverständlich die skandalöse Pfirsich-Szene (wenn ihr den Film schaut, werdet ihr wissen, welche Szene ich meine) sowie die Szene, in der Elios Vater, gespielt von Michael Stuhlbarg, einen Monolog über Liebe, Verlust und Schmerz hält. Das Verhältnis zwischen Elio und seinem Vater ist ein sehr besonderes, und es ist schön, eine unterstützende und verständnisvolle Figur im Vater zu finden, der sich für seinen Sohn freut, dass dieser solch eine intensive Liebe erleben durfte.

Der Film überzeugte mich mit seinen schönen Bildern und der Aussage, dass sowohl das Alter, als auch das Geschlecht für eine intensive Liebe keine Rolle spielen.

Wer nun Lust bekommen hat sich CALL ME BY YOUR NAME anzusehen, hier geht es zum Trailer:

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Ein Film für Verrückte

PERSONA (Schweden 1955, R: Ingmar Bergman, FSK 12)

Elisabeth Vogler (Liv Ullmann) ist nach einer Elektra-Aufführung traumatisiert und spricht seitdem nicht mehr. Ihr an die Seite gestellt wird die junge Krankenschwester Alma (Bibi Andersson), die sich um die apathische Künstlerin kümmert. Abgelegen verbringen die beiden Frauen einige Wochen gemeinsam in einem Ferienhaus und es entwickelt sich eine sonderbare Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit zwischen den beiden Frauen. Während die eine weiterhin schweigt, wird die andere immer redegewandter und scheint ihr Inneres langsam preiszugeben.

Dieser Film, der wohl der bekannteste Film des schwedischen Filmemachers Ingamr Bergman ist, spielt mit den Köpfen der Zuschauer. Dieser Film macht es einem nicht möglich, den Film ohne Gedanken oder Theorien, einfach nur als Film, zu schauen. Fast in jeder Szene kommt ein neues Puzzleteil zum großen Ganzen namens Film dazu und fast nach jeder Szene gibt es eine andere Theorie dazu, wieso sich die Protagonistinnen so verhalten, wie sie es nun einmal tun. Wieso spricht Elisabeth nicht und Alma dafür umso mehr? Wieso nähern sich die zwei erst an und entfernen sich im gleichen Moment auch wieder voneinander? Was hat die mysteriöse, beunruhigende Anfangsszene zu bedeuten, in der ein kleiner Junge in einem Krankenhaus aufwacht und neben dem auf einer großen Leinwand ein Gesicht zu sehen ist?

Der Film wirft Fragen auf und gibt nur selten Antworten und selbst, wenn der Film sich dem Ende nähert und auch wenn er zu einem Ende gekommen ist, bleiben einige Fragen und ein sehr verwirrter Eindruck zurück. Die Musik, die Bilder und die Beleuchtung bilden so eine Disharmonie und Diskomposition, dass sie den Zuschauer fordern das Gesehene, sowie sich selbst kritisch zu hinterfragen. Man wird innerhalb kürzester Zeit in den Film hineingezogen und der Film lässt seine Zuschauer an einer intensiven Psychoanalyse einer Frau teilhaben, die die Subjektivität und die Beziehung zu jedem anderen Menschen hinterfragt. Man stellt sich Fragen wie „In welchem Maße sind wir selbstbestimmt und in welchem Maße sind wir zusammengesetzt aus der Existenz von anderen?“

Dieser Film ist so weich und sanft, aber genauso hart und unsanft, aber so gut, dass man am Ende keine Ahnung hat, was zum Teufel gerade passiert ist.

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Ein Klassiker

DIE HALBSTARKEN (BRD 1956, R: Georg Tressler, FSK 12)

Der Film aus dem Deutschland der 1950er Jahren thematisiert eine Gruppe Jugendlicher, die sich mit kleinen Diebstählen über Wasser halten. Ihr Anführer ist Freddy Borchert (Horst Buchholz), der sein spießig-autoritäres Elternhaus schon seit längerem hinter sich gelassen hat. Durch Zufall trifft er seinen Bruder Jan (Christian Doermer) im Schwimmbad, der von Freddys Lebensstil begeistert ist und bei den kriminellen Machenschaften der Gang mitmischen möchte. Doch als der groß angelegte Postraub schiefgeht fühlt sich Freddy zwischen seinem Bruder und seiner Freundin Sissy (Karin Baal) hin und her gerissen. Um sein Ansehen als Bandenführer wieder herzustellen und um Sissy zu beweisen, dass er ein ganzer Mann ist, bricht Freddy in die Villa eines reichen Mannes ein. Als er vom Hausbesitzer überrascht wird, eskaliert die Situation. Zu der Zeit, als der Film in die Kinos kam, war Kino nicht nur noch sehr viel billiger, nein, der Film hatte auch ein sehr verruchtes Image. Genau aus diesem Grund durfte meine Oma diesen Film in ihren Jugendjahren nicht sehen, da ihr Vater nicht wollte, dass sie sich ein Vorbild an den Halbstarken der Jugendgang nimmt und ebenfalls rebellisch und aufmüpfig wird. So etwas wäre heutzutage gar nicht mehr denkbar. Also ich meine, dass Eltern ihren Kindern verbieten, einen Film zu schauen, weil sie Angst haben, dass sie danach rebellisch sein könnten. Gehört es nicht auch ein wenig zum Erwachsenwerden dazu, dass man sich gegenüber Eltern oder Autoritätspersonen auflehnt? Dass man alles anders machen möchte als es die Eltern getan haben? Dass man seinen eigenen Weg finden will und dabei auch manchmal in eine Sackgasse läuft? DIE HALBSTARKEN ist auf jeden Fall ein sehr schön gemachter Film, dem man sein Alter an einigen Stellen allerdings ansieht. Nicht nur, dass er in schwarz-weiß gedreht wurde, weil dies billiger war, sondern auch, weil mir ein paar Mal sogenannte Jump-Cuts aufgefallen sind. Damit ist gemeint, dass nach einem Schnitt der Anschluss nicht schlüssig ist und das Bild "ruckelt", sodass man merkt, dass geschnitten wurde. So bewegt sich beispielsweise in einer Szene ein Baum ruckartig, wenn das Auto wegfährt. Genau aus diesem Grund, dass die Schnitttechniken damals noch nicht so ausgereift waren, werden auch weniger Schnitte und dafür längere Einstellungen verwendet. Heutzutage ist die Schnittfrequenz ja allgemein sehr hoch, sodass ich es sehr angenehm fand mal wieder einen Film zu sehen, der statt eines Schnitts lieber einen Schwenk zur Seite verwendet, um die zwei sich gegenüberstehenden Gesprächspartner zu zeigen. Zudem verwendet der Film allgemein wenige Nahaufnahmen, da zu dieser Zeit Nahaufnahmen nur sehr selten verwendet wurden, beispielsweise wenn man die Uhrzeit zeigen wollte. Zudem wurde der Raum noch sehr wie im Theater verwendet, also dass man den ganzen Raum gesehen hat, in dem dann gespielt wurde. Es war sozusagen eine Theaterbühne mit mehr Tiefe, die abgefilmt wurde.

Wer von euch jetzt Lust bekommen hat, sich DIE HALBSTARKEN anzusehen, der kann hier auf YouTube den gesamten Film schauen:

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